Annette

Kunst und Perfidie

Drehbuch und Songs zu diesem Musical-Film von Leos Carax stammen von den Sparks-Brothers. Von dieser Zusammenarbeit der beiden amerikanischen Künstler und dem berühmten Regisseur war schon in der Dokumentation Edgar Wright The Sparks Brothers dieser sich gegen das Labelling stemmenden Künstler zu erfahren.

In der Eingangsszen treten sie mit Leos Carax, den beiden Protagonisten Adam Driver und Marion Cottilard bei der Arbeit im Tonstudio selber mit auf. Gleich zieht sich die Szene auf die Straße, erweckt romantischen Künstlereindruck, eine Truppe Menschen, die im Takt und singend sich durch eine Stadt bewegt.

Den Schwung und den Rhythmus und das Ineinandergreifen der Szenen behält Carax für den Rest des Filmes bei. Der handelt davon, dass wohl keine Kunst, keine Liebe, kein Drama, keine Perfidie zu groß sei, als dass sie nicht in einem Musical vermantscht werden könnte.

Es ist eine Insideransicht, eine Insiderhommage, aber auch eine Insidersektion der Show-, Unterhaltungs-, aber auch der klassischen Musikbranche. Da ist Adam Driver als Henry McHenry, ein zwangsmäßiger Bühnenhumorist mit genügend Selbstzynismus. Für seine Figur könnten hintergründig inspirierend gewesen sein Entertainment als auch The Comedy vom Rick Alverson; die das Tragische und Zwidrige am professionellen Unterhalter und Witzemacher thematisieren. Caral selbst hat sich an Tom Lehrer orientiert.

Auf der hochkulturellen Seite ist Marion Cottilard als Anna Defrasnoux eine Operdiva. Sie singt in abstrakten Bühnenbildern, blauen Flächen, die vom Bühnenboden hängen und simuliert Natur – auch dazu gibt es hier einen Schnitt von der Bühne zur richtigen Natur.

Der Zufall will es und die Klatschindustrie, die als Dauerbrenner immer kurz reingeschnitten wird, dass die beiden Stars sich verlieben. Mehr Erfolg geht nicht. Bis Anna schwanger wird. Das Paar mit dem kleinen Mädchen Annette geht auf eine Seefahrt. Anna stürzt von Bord, geholfen wird ihr nicht.

Jetzt kommt die Perfidie ins Spiel. Denn das kleine Mädchen Annette ist ein Wunderkind. Es singt schon mit 5 Jahren so schön wie die Mutter. Der Witzemacher sucht den vorherigen Freund von Anna auf. Es ist der Dirigent, ‚The Accopanist‘, (Simon Helberg) – als musikalischer Begleiter stellt er sich vor. Vom Typ her ist eine gewisse Ähnlichkeit zu Adam Driver festzustellen. Dieser hat die durchtriebene Geschäftsidee – denn er ist inzwischen vom Sockel des Erfolges gestürzt – mit seinem Dirigentenfreund und dem Wunderbaby auf Welttournee zu gehen. Diese wird ein Erfolg.

Der Erfolg wiederum steigt Henry McHenry in den Kopf. Es verstört ihn, dass nicht sicher ist, welcher von beiden der Vater des Wunderkindes ist. So wird auch der Dirigentenfreund aus dem Film verschwinden.

Jetzt will Henry alles für sich, alles spitzt sich zu auf eine gigantische Show beim Superbowl. Hier überdreht Carax rasend begeistert das amerikanische Faible für die Superlativshow gigantisch.

Die trockenen Songschreiber Gebrüder Mael wissen natürlich, dass eine kleine Nadel in so einen gigantisch aufgeblasenen Ballon der punktrichtige Effekt ist, um dem Film nochmal eine Drehung zu geben.

Es scheint, dass die beiden Musiker in Leo Carax einen cogenialen Regiehelfer gefunden haben, ihre Insideransicht von Kunst und ihren unschönen Seiten mit einfachen Rhythmen und Texten in einen bittersüßen Film zu verwandeln, filmisch gekonnt durch den Kako zu ziehen. So spröde von Anfang an mit „Es ist Zeit, anzufangen“, in endlosen Wiederholungen.

Aber auch hier gilt: der Film wird ein Carax-Film sein und niemand wird von einem Sparks-Brothers-Film sprechen; sie verweigern sich stur weiter jeglichem Labelling.

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