Pitbull – Exodus

Der Mensch ist von Natur aus gut,
wenn da nicht ein paar kaputte Dinge wären, die meist schon in der Familie anfangen.

Wie schon in seinem dichten Film Petla bombardiert Regisseur und Drehbuchautor Patryk Vega den Zuschauer gleich zu Beginn mit der ellenlangen Verbrechervita des Protagonisten, der lächerlicherweise ‚Nase‘ (Przemyslaw Bluszcz) heißt. Der hat schon als einsames Kind faktisch ohne Familie angefangen Bomben zu basteln – und auch auszuprobieren. Er stellt sich als durch und durch bösen Menschen dar. Das wirkt erst mal einseitig.

Der Film schildert, wie Nase immer höher in der Gesellschaft der Verbrecher in Polen steigt, bis er auf seinen praktisch ebenbürtigen Gegner Jaced Goc ‚Gebels‘ (Andrzej Garboswki) trifft; dieser auf Seiten der korrupten Polizei.

Die Auseinandersetzung spitzt sich in Richtung eines Finales zwischen den beiden Männern und ihren Kohorten von Schläger- oder Polizeitrupps zu.

Überraschend tritt in dieser halbwegs übersichtlichen Verbrecherstruktur, die vor allem vom Schmuggel anrüchiger Güter wie Kokain und Amphetamin aus Russland lebt, eine neue Gruppierung von Verbrechern auf. Es ist eine Gruppe beschlagener Internetkids, die sich auf das Hacken von Sicherungsanlagen privater Villen spezialisieren und darin die Chance auf leicht verdientes Geld wittern. Das gelingt anfangs auch problemlos. Wobei einige ihrer Opfervillen selber Gangstern gehören und grad die horten Gold, Bargeld, Schmuck, ja sogar Waffen lieber bei sich als anderswo.

Es sind arglos, naive, clevere Kids. Sie machen Anfängerfehler, die sie an die Gangster verraten. Daraufhin wird es für die Jungs ungemütlich. Sie werden mit härteren Bandagen konfrontiert und ihr Vorsatz, Menschen nicht zu verletzen, wird nicht zu halten sein. Auch diese Entwicklung, wie sie von Grünhörnern zu skrupellosen Verbrechern werden, schildert Patryk Vega so schnörkellos direkt und schnell wie alles andere, fast glaubt man ein Brevier über Mafiatum, Gangstertum vor sich zu haben und wie diese sich perfektionieren und die modernsten Mittel einsetzen, um dem Gegner wieder einen Schritt voraus zu sein.

Dabei spielt die Familie die zentrale Rolle und damit den Schwachpunkt, an welchem sie am leichtesten erpressbar werden. Das verbindet diesen Film mit den amerikanischen Mafiafilmen.

Was ihn unterscheidet ist, dass Vega seine Protagonisten, seine Verbrecher überhaupt nicht als muskulöse Machovorbilder charakterisiert. Schon die Bezeichnung ‚Nase‘ für einen Mann ist alles andere als einem männlichen Ego schmeichelnd. Und welch unförmigen Leiber die Schlägertrupps bilden, das hat etwas.

Was Patryk Vega auch unterscheidet, ihn vielleicht spezifisch europäisch macht, ist seine Freude, das Genre als solches vorzuführen, als eines, was fett aus Klischees besteht und aus nichts anderem. Wobei der Gegenspieler von Nase in einen ernsten Konflikt gerät, denn sein Sohn gehört zu der Jugendlichen-Gang.

Das ist vielleicht auch europäisch, der breit vorgeführte Konflikt dieses mächtigen Polizisten, einerseits dem Recht zu genügen, andererseits, seinen Sohn und dessen Mittäter heil aus der gefährlichen und mörderischen Angelegenheit wieder rauszuholen.

Dafür bemüht er, von einem katholischen Geistlichen dazu angeregt, die Textstelle aus dem Alten Testament über den Exodus, die fordert, die Kinder Israels aus Ägypten hinauszuführen. Dafür hat der Film eigens einen Fachmann für das Religiöse konsultiert. Man ist ja in Polen.

Gegenüber dem Film Petla wirkt erleichternd, dass die Darsteller Englisch sprechen und man also leichter auch die deutschen Untertitel rezipieren kann.

Patryk Vega setzt als Thrill auf die Systematik des Banalen, ja der Filmklischees über Verbrecher, die sind sein Spielzeug, aus denen er fabelhafte Situations- und Bild-, ja sogar Handlungskombinationen montiert.

Diesem Film spürt man die ungebrochene Faszination über die Standards des Bösen im Film mehr und grinsender noch als bei Petla an. Und Jacek wird alle Plagen über Nase wünschen mit der Gewalt eines alttestamentarischen Fluches.

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