Isländisches Schatzkästchen
parallel zum literarischen Schatzkästchen, das Berichtenswertes, Skurriles, Besonderheiten, Liebenswürdigkeiten, Schrullen, Anekdotisches, Historisches zu einem Ort und seinen Menschen ohne den Faden einer Geschichte versammelt, könnte dieser Film von Pepe Andreu und Rafael Moles als ein Filmschatzkästchen zur Ortschaft Grindavik auf Island bezeichnet werden.
Es war ein Fischerdorf – vor langer Zeit. Es ist inzwischen eine boomende Ortschaft ohne Gesicht. Früher war man überrascht, wenn hier ein unbekanntes Gesicht zu sehen war; jetzt spuckenTouristenbusse ihren Inhalt aus. Vor dem titelgebenden Café, Bryggjans Café. Um dieses dreht sich der Film. Um eine Stammtischrunde von alten Herren, die sich durch den Film schier zum Denkmal ihrer selbst stilisieren.
Der Film macht aber auch einen Nachruf und Abgesang drauf. Denn das Café wurde verkauft. Hier wurden Konzerte gegeben. Hier wurde die Tradition mündlicher Weitergabe von Geschichten des Ortes gepflegt. Das Café war eine Gründung aus der Not heraus und ein Café wurde es eher zufällig durch einen Behördenbescheid. Bekannt war die Hummersuppe.
Einer der Besitzer geht wie ein rundlich-molliger isländischer Orson Welles durch den Film. Er erzählt am meisten, kann aber auch mit seinen Stammtischbrüdern Texte rezitieren und ist vielseitiger Unternehmer, der schließlich ein verlockendes Angebot für das Café nicht ablehnen konnte. Er ist aber auch zu sehen, wie er Daunen aus Vogelnestern klaut, um diese dann zu verkaufen.
Der islandkritische Heimatdichter kommt vor, der Weltliteratur ins Isländische übersetzte. Zwischen Gesprächsszenen gibt es genügend hervorragend aufgenommenes Islandbilder vom Hafen, der Ortschaft, den Schiffen, der blauen Lagune.
Der Stammtisch, wie er sich selbst präsentiert, scheint ein Stammtisch in Reinkultur zu sein. Er wird grinsend beschrieben als einer, der alle Probleme der Welt kennt und die Lösungen parat hat und sollte eines an einem Tag nicht gelöst werden, so wird am nächsten Tag weiterdiskutiert.
Nach dem Verkauf des Cafés steht die Frage des Urlaubs zur Debatte. Einer entscheidet sich für eine Gruppenreise nach Benidorm. Das wirkt direkt hinterlistig, wenn der Reiseleiter der Gruppe aus Island erklärt, dass die von Touristen und Hotels überfüllte Bucht einst ein Fischerdorf gewesen sei (ja sicher, genau so wie vorher im Film Grindavik beschrieben worden ist) und dass Hotels finanziell spannender seien als die Fischerei.
Auch die Entwicklung zu großen Fangflotten und Fangquoten spiegelt sich in den Geschichten aus dem Café. Grotesk wirkt auch, wenn der behäbige Protagonist, der immer so philosophisch und ungerührt dasitzt, von sich erzählt, er sei ein Mann schneller Lösungen. Die werden die Isländer womöglich bald brauchen, denn ein Vulkan in der Nähe wird gegen Ende des Filmes bedrohlich aktiv.