Aus dem Dunkeln ans Licht,
das ist Bildung, das ist der Weg zur Menschwerdung, der Weg zur Menschenwürde.
Im Dunkeln fängt der Film von Maria Speth an. Schon die erste Erwartung wird konterkariert. Man weiß ja, dass es sich um einen Dokumentarfilm über einen Lehrer mit dem Familiennamen Bachmann handelt. Man weiß, dass der Film über drei Stunden lang ist – und nach dem Film weiß man, dass diese drei Stunden schneller vorbei sind als die fernsehgängigen 90 Minuten so manch hochsubventionierten, hochgelobten deutschen Themenfilmes.
Der Film fängt nicht an mit der Vorstellung der Georg Büchner Schule im hessischen Stadtallendorf, der Klasse 6 b und des Protagonisten. Der Film beginnt in der Dunkelheit. In der Dunkelheit eines Wintermorgens. Im ungemütlichen Straßenverkehr. Wer da alles schon unterwegs ist. Irgendwann ist es der Schulbus. Der entleert seinen Inhalt. Die Schüler strömen ruhig ins Klassenzimmer.
Die Stimme des Lehrer ist aus dem Off zu hören, es habe noch jemand geredet; das müsse jetzt wiederholt werden, alle noch mal raus. Bildung, die mit einem Rausschmiss anfängt. Und erst wie der zweite Versuch gelingt, kommt Herr Bachmann mit seiner Mütze und seinem Bart ins Bild; er sitzt lässig an einem überquellenden Pult.
Der Zuschauer sind bis dahin bereits zwei seiner hervorragenden pädagogischen Fähigkeiten vermittel worden: Geduld und Konsequenz. Damit fesselt er seine bunt gemischte Klasse und nimmt jeden mit. Sie sind in dem Alter, in dem sich bald entscheiden wird, Realschule oder Gymnasium. Sie kommen aus aller Herren Länder aus der Türkei, aus Russland, aus Bulgarien oder Kasachstan.
Maja Speth erfüllt wichtige Grundkriterien für eine gute Dokumentation: mit Herrn Bachmann hat sie einen erstklassigen Protagonisten gefunden, einen Lehrer, der seine letzte Klasse vor der Rente führt, der ein erfahrener, passionierter Pädagoge ist, der die Sprache seiner Schüler spricht, der vor Wörtern wie Scheiße oder am-Arsch-lecken nicht zurückschreckt, wobei letzteres sogar eine Übersetzung aus dem mittelhochdeutschen Eulenspiegel ist; aber er braucht keine Schnörkel, er ist gefestigt in seiner Methode, ihn kann eine Kamera im Schulraum nicht irritieren.
Wobei das zweite Kriterium für eine gute Dokumenation zum Tragen kommt, dass eine Dokumentaristin das Vertrauen ihrer Protagonisten gewinnt und sich unauffällig machen kann.
Das dritte ist der Glücksfaktor, besonders bei einer Dokumenatition über den Zeitraum von etwa einem Jahr gedreht, dass es eine spannende Story wird, wobei hier speziell der großartige Schnitt zu erwähnen ist, der immer wieder für Überraschung sorgt; aber auch der Glücksgriff, so wie bei Herrn Bachmanns Mathematik-Unterricht, wenn er die Wahrscheinlichkeitsrechnung mit einem Sack voll kleiner Kugeln und eine davon ist markiert, verständlich machen will, der Glücksgriff ist hier das Schlussbild, auf das die Geschichte hinausläuft, von dem aber weder die Filmemacher noch der Zuschauer vorerst ahnen konnte und kann, was es sein wird, auf das er sich aber freut und dann vermutlich noch überraschter sein dürfte, dass es genau das wird.
Zu viel soll gar nicht verraten werden aus den Schulstunden, den Besprechungen mit Eltern, den Besprechungen unter den Lehrern, den Stunden mit anderen Lehrern, der ganz speziellen Geschichte von Stadtallendorf, die sich teils wie eine nicht unbedingt angenehme Folie über das Heute schiebt, von der Klassenfahrt, vom Kunstunterricht.
Erwähnenswert ist, dass Herr Bachmann über eine Kunst verfügt, die immer völkerverbindend ist, gerade wenn Sprachbarrieren da sind: die Musik, die er auch mit seinen Schülern pflegt. Und die Schüler, die gewinnt man richtig lieb, es ist, als ob man sie persönlich kennen gelernt hätte.