Mary Bauermeister – Eins und Eins ist Drei

Rote Socke mit Bundesverdienstkreuz

ist ein eher belustigtes Apercu der Künstlerin Mary Bauermeister über den so hilflos wie absurden Umgang der großen Politik mit einer radikal künstlerischen Person.

Es wäre ja interessant zu erfahren, wo in ihrem enormen Sammelterritorium sie das Bundesverdienstkreuz aufbewahrt, etwa in der Nähe der Milchzähne ihrer Kinder? Oder doch eher in ihren Steinsammlungen?

Steine sind einer der elementaren Bestandteile für ihre Steinbilder. Es sind nicht irgendwelche Steine. Sie stammen vom Meer, den Wellen, der Erosion, den Flüssen, rund gesschliffene Steine, die sie in der Bretagne an einem Strand sammelt.

Der Film von Carmen Belasch gibt mindestens einen Hinweis auf eine mögliche Interpretation oder einen möglichen interpretatorischen Zugang zu diesem Werk. Nicht nur sind diese Steine ein Symbol für das ewige Werden und Vergehen, es kommt noch raffinierter, denn eine weitere Eigenart der Kunstwerke von Mary Bauermeister ist, dass sie gerne Texte auf die Steine (auch auf andere Materialien) schreibt.

Es sind kurze Sätze, hochphilosophisch, essentiell über Liebe, Frieden, Leben, Tod aber auch das Wort Fuck soll nicht selten vorkommen, die Katastrophe des Seins und darüber mockiert sich ihr Sohn Simon nicht schlecht, der jetzt, wo die Dame sich in der Endphase ihres Lebens befindet, mit einem Krebs, dem sie keine Chemo mehr gönnt, auch ihr Manager ist; er amüsiert sich nicht schlecht über den Zusammenhang zwischen dem Begriff Fuck und dem Bundesverdienstkreuz.

Simon ist der Sohn aus der Beziehung zum berühmten Dirigenten Karlz-Heinz Stockhausen. Das wiederum beleuchtet einen eigenen Themenkomplex, der monomanische Musiker und die unabhängige Künstlerin, eine Beziehung, die nicht gut gehen kann; ein New Yorker meint anlässlich einer Ausstellung aus dem Zeitraum dieser Doku, sie hätte wohl eine ganz andere Karriere gemacht, wenn sie damals nicht ihrem Komponistengatten nach Japan gefolgt wäre und auf den Pflock, den sie für sich und ihren Namen in der Kunstszene mit der abstrakten Kunst in New York eingerammt hatte, weitere hätte folgen lassen und nicht plötzlich aus der Szene verschwunden wäre. Sie war in New York in den 60ern ein Ikone der Avantgarde.

Der Hinweis, den die Dokumentaristin Carmen Belasch auf den tieferen Gehalt oder die genreüberschreitende Faszination ihrer Werke gibt, taucht anfangs und am Ende des Filmes auf: es sind die Wellen am Meeresrand, es ist der Sand und Mary Bauermeister schreibt anfangs mit einem kleinen Ästchen Formen und Texte in den Sand, ihre „Messages“. So sehen ihre Inschriften auf den Kunstwerken aus: als hätte die Natur sie geformt, als hätte der ewige Rhyhtmus des Meeres sind hingeworfen; als hätte die immer von Themen beseelte Künstlerin sie nur ablauschen müssen, als komme ihr kreatives Schaffen aus den Tiefen der Natur (umso lächerlich wirkt so besehen ein Bundesverdienstkreuz, weil so etwas so gar nichts mit der Natur zu tun hat), und warum ihre Werke eben nicht nur schön oder nicht nur Bastelarbeiten sind, weil sie Impulse von der geistigen Welt reinjagt, weil sie ständig auf der Suche nach Erweiterung von Erkenntnissen wäre.

Auch für die Fans der Frauenemanzipation gibt sie ein Beispiel: sie wollte ihre Kinder selbst ernähren können, das war ein weiterer Impetus für ihr Schaffen.

Mary Bauermeister ist eine Person, die von sich aus abend- und auch leinwandfüllend ist, sowie so mit ihren Werken, weil sich bei ihr immer was tut, und selbst wenn sie sich ermattet auf einen Kiesberg legt, so lebt das Bild von ihrer Ausstrahlung. Sohn Simon bringt den Mutter-Sohn-Konflikt zur Sprache, den er irgendwann beigelegt haben will.

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