Arsenio Morella,
ist der unsichtbare Erzähler auf der Tonspur dieser Dokumentation von Jana Käsdorf. Er ist für den zweiten Teil des Titels zuständig, indem er zuerst seine Geschichte erzählt, wie er im sozialistischen Kuba aufgewachsen ist, in welchem man ohne zu tricksen nicht überleben konnte.
Im Rahmen einer Massenflucht Mitte der 90er ist er als Junge in die USA geflohen. Er hatte Glück, daß er einen Fuß auf den Boden dieses Landes setzen konnte und somit als Flüchtling aufgenomnen wurde, während andere, die das nicht geschafft haben, von der US-Behörden auf das Meer zurückgeschickt wurden.
Weiteres, was nach der Flucht war, ist von diesem Arsenio Morella nicht zu erfahren, zu sehen ist er nicht im Bild, zumindest nicht kenntlich gemacht. Lediglich das vergilbte Foto eines Jungen ist im Film drin. Insofern bleibt auch innerhalb des Filmes offen, ob Morella eine fiktive Figur ist, die die Regisseurin erfunden hat, denn sie selbst ist laut den Credits auch für das Drehbuch verantwortlich.
Die Texte und Kommentare dieser wie es scheint spontanistischen Reise sind im Stil einer reißerischen Reisedoku gehalten und hören sich in der deutschen Variante so an: „Wer nicht schummelt, kommt unter die Räder“, auch überdeutlich auf Pointe gesprochen oder „Sie steckten sich die Taschen voll – mit dreckigem Geld“, „Die Bosse legen einem immer wieder Steine in den Weg“.
Der erste Teil des Titels erweckt einen falschen Eindruck, als handle es sich um eine systematische, wissenschaftliche, sorgfältig recherchierte Dokumentation. Faktisch gilt sie aber nur dem Interesse von Morella, der, wie es scheint, nicht allzu geplant durch Kuba reist.
Er befragt im Stile einer Meinungsforschung Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Journalismus und auch den Mann oder die Frau von der Straße oder die mit dem kleinen Gewerbe, Taxi, Hotellerie, Fischerei, Gastronomie, Zuckerrohranbau.
Es gibt Statements zum Thema Sozialismus in Kuba und auch einen historischen Rückblick.
Zentral und aktuell wird immer wieder erwähnt der Begriff der Lineamientos, das sind Richtlinien zu einer Reform der reinen Staatswirtschaft mit Öffnungen im Privaten, der Ermöglichung von Unternehmertum und auch Eigentum; was zarte Erfolge an Prosperität bringt, obwohl generell weiter gilt, dass man, ohne zu Schummeln, nicht durchkommt.
Der Film stammt aus der Zeit von Trump, der die Blockadefesseln für Kuba angezogen hat. Und auch das Thema Corona wird im Abspann erwähnt. Die Bilderwelt ist eine bunt zusammengewürfte Montage von spontanen Reiseeindrücken, Postkartenbildern vom Dschungel, der Mischung aus Lebensfreude und Improvisationslust der Menschen und auch immer wieder von Plakaten mit Propagandasprüchen für die Revolution.
Es ergibt sich ein frischer Eindruck von dem Land, das sich das mit der Revolution neu am Überlegen ist. Und wir erleben hier bei uns direkt auch eine Art Kubanisierung, indem die Menschen immer findiger werden, die immer abstruseren Anticoronavorschriften umzusetzen: da kann man oft auch nur noch schummeln!