Die fixe Vorstellung und das was ist.
Es dürfte des pfiffigen, elfjährigen Jonas‘ (Elias Vyskocil) letzter Sommer als Kind sein. Ein Sommer, der wie unnütz wirkt, denn die Kindheit hat er hinter sich, die Pubertät vor sich; ein Realitätsvakuum. Wie eine Art Wartestand könnte die Lebensphase bezeichnet werden. Ein Zustand, in dem es nicht mehr unbedingt sinnig ist, mit der Mutter (Kaya Marie Möller) und dem kleinen Bruder Elias (Lunik Kleinmichel) ans Meer zu fahren.
Das ist das Zusatzproblem in dieser reduzierten Familie, der Vater ist tot, wohl beim Rafting verunglückt. Es gibt einen Opa Bernhard (Pavel Novy). Der wohnt in derSlowakei. Das ist eine Strecke von Dresden entfernt. Jonas ist helle, schlau. Er möchte im Sommer mit dem Opa Boot fahren. Das ist seine fixe Idee.
Jonas hat einiges drauf, was die Herstellung von Fake-Internetkommunikation betrifft, Geldbeschaffung, leise von zu Hause abhauen. So dass Mutter glaubt, alles sei in Ordnung. Er fährt auf eigene Initiative und ohne Helfer los; der kleine Bruder muss entschädigt werden, dafür, dass er schweigt.
Das Ziel ist das Boot. Aber das schein doch eher ein Pseudoziel zu sein. Es geht um den Umgang mit diesem Lebensalter, das irgendwie fahrlässig, abenteuerlich, verantwortungslos scheint, losgelöst, offen vor allem, offen für alles, offen für Neues; aber nichts genaueres weiß das Subjekt noch nicht.
Es entsteht beiläufig die Freundschaft zum Nachbarmädchen vom Opa, der in einem einfachen Wohnblock wohnt, Alex (Lliana Pavliková), sie dürfte ähnlich alt sein. Die beiden werden ganz selbstverständlich zwar nicht Pferde, aber Blumen stehlen. Überhaupt haben sie nicht allzu seriöse Geschäftsideen, um ein Gummiboot zu kaufen, denn der verwahrloste Opa behauptet im Gegensatz zu früher, das Boot gebe es nicht mehr.
Die Freundschaft zu Alex ist herrlich sorgenlos, so unbelastet von jenen Beziehungsannäherungen, Beziehungsängsten, die schon bewusst die Liebe fürs Leben, den Lebenspartner, die Lebenspartnerin suchen. Hier schwirrt etwas in der Luft. Die beiden können nebeneinander im Gras liegen und sich arglos unterhalten, sich dabei verwundernd, ahnend anschauen. Das sagt allenfalls im Untertext, dass es noch andere Dinge gibt, als sie sich gerade vorstellen können.
Das ist vielleicht das Qualitätsmerkmal dieses Filmes von Martina Sakova, die mit Sülke Schulz auch das Drehbuch geschrieben hat, dass er ausschweift in so einen Sommer, der keinen Anfang und kein Ende zu haben scheint, der mit Leichtigkeit lauter Unerwartetes bereit hält und versöhnlich mit all den Lügereien, die vielleicht dazu gehören, umgeht. Der sich faszinieren lässt von soviel Unschuld einerseits und einem gerüttelten Mass an Durchtriebenheit andererseits. Der vielleicht die Sehnsucht ausdrückt nach diesem möglicherweise unbelastetsten Moment im Leben eines Menschen in diesem Schwebe- und Schwereloszustand zwischen Kindheit und Coming-of-Age, getränkt mit sommerlicher Buntheit, Helle und sprudelnder Musik, nicht so oberflächlich wie ein Schlager, aber so lustig wie eine Ballade.
Die Betonallergie, die ist vielleicht das trefflichste Symbol für diese Zeit des hellträumerischen Aufwachens; die Fische, die Opa paniert gefangen haben will, sind ein anderes.