In Polen geht die Sonne auf,
sagt eine eingewanderte Australierin auf Englisch im Grenzgebiet der Oder, im Dreieck Deutschland/Tschechien/Polen. Sie ist Einwanderin und sieht hier australische Freiheiten, den australischen ‚Spirit‘ wie nirgends sonst in diesem Grenzland, Niemandsland, Durchgangsland, Migrationsland, Land mit wechselhafter Geschichte, Abbruchland, Entvölkerungsland, Aufbauland, Rumhängland und zugleich Fotografentraumland von Weite, Wasser, Wolken, Weiden.
In der respektvoll zugeneigten Art eines Volker Koepp (Seestück) hat Andreas Voigt sich in diesem wie von Gott verlassenen Stück Welt umgesehen. Er hat großartige Protagonisten gefunden, er hat sie großartig fotografiert und porträtiert und schafft damit ein eindrückliches, kinoaffines Bild aus einer Gegend, die unsereins meist eher vom Hörensagen kennt.
Die Bewegungen gehen weiter, das Zuwandern, das Auswandern. Es strömen neue Menschen herbei aus Krisengebieten wie Syrien, die Jugend aus Polen zieht es weg, sie wollen in aller Welt studieren, sie wollen die Meinungsfreiheit und je mehr in Polen ein Brain-Drain stattfindet, desto mehr zieht es die Leute weg.
Niemand will Polnisch lernen, nein, nicht niemand, der eingewanderte Australier lernt es von seinem Töchterchen. Und der alteingesessene deutsche Fischer bringt grade mal Danke und Prost auf Polnisch raus.
Es gibt Menschen, die sind hier aufgewachsen. Einer will etwas von der einstigen Pracht wieder herstellen, gerade ist er dabei, eine Lindenallee neu zu pflanzen, da strömt unweigerlich der Lindenblütenduft durch die Nase. Eine Frau ist die Tochter griechischer Kriegsflüchtlinge aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Oderland galt für die griechischen Partisanen als Wunschland, weil gerade viel leerstand.
Es gibt Menschen, die hier rumhängen, aufstehen, frühstücken, Katze füttern, zugucken, wie die Stadt kaputt geht und glücklich sind, wenn keine Post im Briekasten ist. Wohnhochhäuser werden abgebrochen, Schafe weiden auf Hochwasserdämmen und werden von wandernden Schafscherern geschoren. Eine Frau, die mit ihren Eltern im Krieg angeschwemmt wurde, sammelt und pflanzt weiter die Bohnen ihrer Mutter, die ihresgleichen suchen.
Immer wieder lässt sich die Fotografie von der weiten Landschaft verführen, vom Fluss, vom Deich, von den Wolken.
Manche hören Radio Lausitz, andere telefonieren mit Kamishli, wo die Kurden verfolgt werden.
Andreas Voigt hatte schon 1991einen Film in dieser Gegend gedreht; daraus hat er hier Archivaufnahmen eingeflochten. Es sind Geschichten vom Rand aus der Mitte Europas, wie es heißt, im Süden von Niederschlesien, im Norden das Stettiner Haff und in der Mitte das Flachland der Oder. Zwischendrin meldet sich leise der Fremdenhass und der alltägliche Rassimus, es gibt aber auch Integration zu sehen und malerischen Beifang ähnlich wie Ährenleser die Sucher mit den Metalldetektoren auf dem Feld oder die Motorradfahrer, die ihre Kraftfahrzeuge stolz vor einem Panzerdenkmal ablichten.
Hier eine vorläufige Liste der Kinotour:
08. Juli 2021 – BERLIN – Brotfabrik, 21:30 Uhr
09. Juli 2021 – KINOSTARTPREMIERE – BERLIN – Babylon Mitte, 19:30 Uhr
10. Juli – LEIPZIG – Passage Kino, 18:00 Uhr
11. Juli 2021 – COTTBUS – Weltspiegel, 18:00 Uhr
12. Juli 2021 – GÖRLITZ – Filmpalast Görlitz
21. Juli 2021 – BERLIN – Kino Krokodil
27. Juli 2021 – HAMBURG – Abaton
30. Juli 2021 – MV-PREMIERE – ROSTOCK – Lichtspieltheater Wundervoll, 20 Uhr
31. Juli 2021 – BRÜSSOW – Kulturhaus Kino
10. August 2021 – MARBURG – Capitol