Nie stand die Welt so nah am Atomkrieg wie in der Kubakrise 1962. Dieser Film gibt einen Einblick ins Vorfeld der Krise und einen Hinweis darauf, warum der Ernstfall nicht eingetreten ist. Insofern ein Nostalgiefilm, der andere Spionagethriller aus der Zeit erinnern lässt, jene von John le Carrée und seinem Agenten Smiley; aber hier sind Story und Figur eine andere.
Sind Sie trinkfest?
Diese Frage zielt nicht direkt auf den Kern dieses Spionagethrillers, vielmehr kann sie als geschicktes Ablenkungsmanöver gesehen werden in der Welt von Agenten, Täuschungen, von Staatsgeheimnissen und dem Hunger nach Information. Die USA interessiert der Stand der russischen Rüstung, deren Atomraketen und die Situation auf Kuba, von wo aus die Russen vorgeben, die Amerikaner bedrohen zu wollen.
Wundersamer Weise wurde die Kubakrise gelöst und dieser Film von Dominic Cooke nach dem Drehbuch von Tom O‘ Connor erzählt die Geschichte.
Das Problem für die Amis war, dass sie in Moskau einen hohen Beamten, Oleg Penkowski (Merab Ninidze), in einem Ministerium platziert hatten, dass aber der Kontakt zu ihm kaum möglich war. Der britische MI6 und die CIA suchen nach einer unverfänglichen Figur, die sie als Kontaktmann, als Boten einsetzen können; daher auch der Originaltitel: The Courier.
Der Geschäftsmann Greville Wynne (Benedict Cumberbatch, der auch als Koproduzent des spannenden Filmes fungiert) erscheint als die ideale Figur, da er bereits Geschäftsbeziehungen in verschiedene Ostblock-Länder hat, nur nicht nach Moskau. Er verkauft Werkzeugmaschinen. Ein Geheimdienstlaie durch und durch und unverdächtig, zudem kann er die Frage nach der Trinkfestigkeit problemlos bejahen.
Greville hat die perfekte Tarnung und somit ein perfektes Entrée in Russland. Perfekt auch insofern, als der Typ, den Cumberbatch spielt, einer ist, vielleicht auch wegen dem Alkohol, bei dem man ständig Angst haben muss, er rutsche aus auf dem Eis oder auf dem Seil oder eben auf dem geschäftlich-diplomatischen Parkett.
Grenville wird beim Golfspielen vorgestellt und dabei zeigt sich, dass sein linkischer Lebensmodus, einen sicheren Put zu vertun, auch nur gespielt ist; er schafft damit gute Beziehungen zu den Geschäftsfreunden, wenn er sich weniger geschickt anstellt als sie.
Grenville ist ein Gegenmodell gegen den herkömmlichen, todernsten und ständig überbeherrschten Spion. In manchen Moment hat er im Gesichtsausdruck direkt etwas Chaplineskes.
Die Kalt-Kriegs-Atmosphäre führt der Film erst nach und nach ein entsprechend dem Erkenntnisstand des an sich unpolitischen Greville. So verändert sich die Spannung vom Seiltänzerkick zum Spionagethriller mit allen Zutaten des Konspirativen, der Überwachungs- und Abhörtechniken, der Aktenkopie mittels Mikrofilm, der diskreten Krawattennadel, dem unbesehenen Durchwinken an der Grenzkontrolle, dem Besuch des Bolschoi-Balletts, dem Hin- und Herspringen zwischen MI6 in London, dem CIA und dem KGB in Moskau, die Erkenntnis eines Leaks, Verdacht, Fluchtpläne, Erpressungsversuche, die Herzenskälte der Berufsgeheimdienstler und die Menschengüte des Laienspions, der menschliche Beziehungen nicht einfach abhaken kann.
Es ist ein wunderschönes Zurücklehnkino für die große Leinwand mit exakt gearbeiteten Figuren und einem Handlungsfaden, der immer wieder offen lässt, welche Wendungen noch kommen und einem faszinierenden Protagonisten, der in seinem russischen Konterpart einen ebenbürtigen Partner hat, der die Geheimdienstessenz erdet.