BR-Klassik: Claudio Monteverdi: L‘ Orfeo (BR, Dienstag, 15. Juni 2021, 00.35 Uhr)

Von der Vergänglichkeit der Liebe

und von ihrer Unsterblichkeit, selbst wenn die Hölle dazwischen kommt. 

Der Sänger Orpheus braucht nur ein Plektrum, um die Saiten zu diesem Gesang zu schlagen. Er selbst erlebt sie, die Vergänglichkeit der Liebe zu Eurydike, vom Paradies bis zur Hölle, bis zu ihrer Unerreichbarkeit. 

In der Oper von Claudio Monteverdi singt der Sänger (Martin Platz) selbstverständlich nur, denn für die Instrumente ist das Orchester zuständig. 

Die Inszenierung an der Staatsoper Nürnberg ist ein Corona-Experiment unter der Regie von Jens Daniel Herzog, der Hygienkonzepte einbauen musste und Joana Mallwitz dirigiert das Orchester, das sich zu großen Teilen aus dem Orchestergraben, einer wahren Coronagrube, emanzipiert hat bis in die Ränge hinauf, Zuschauer waren nicht erlaubt. So stark nach oben hat selten ein Dirigent dirigiert. Und auch der Chor muss Mindestabstand halten, so gut es halt geht. 

Zumindest am Rechner zuhause funktioniert das sowohl akkustisch als auch visuell prächtig mit prima Stimmen und einem geschlossenen Sound trotz räumlich auseinadergezogenem Orchester. 

Zu nachtschlafener Zeit sendet der BR dieses kleine Corona-Juwel und lässt den Zuschauer Himmel und Hölle des Orpheus erleben. Gerade fürs Fernsehen erweisen sich die Videospielereien, die Rückprojektionen teils aus Handys auf der Bühne live aufgenommen und gesendet als ergiebig. 

Speziell die Hochzeitsszene mit den vielen Handys und damit den vielen Perspektiven und der ständigen Bewegung auf der Rückprojektion kommt witzig und – für eine Oper – frisch und heutig rüber mit den Details von Einzelfiguren, die auch noch ihre Faxen ins Handy machen. Superleicht zaubert Herzog so das Bild genau dieser Brüchigkeit und Vergänglichkeit, die der bei diesem Anlass doch für ewig und für gute und schlechte Zeiten geschlossene Bund vermeiden will. 

Hier ist es leicht zu sein, bei diesem Hochzeits-Leichtsinn, während mit dem Einbruch des Unglücks auch die Inszenierung inhaltsbedingt schwerer, staatstheaterlicher wird. Das Drama ist die andere Seite des Leichtsinns, das kann man gut so sehen. Zusammen ergeben sie anregende Kost für kurz nach Mitternacht. Man hat nicht jeden Tag einen Pandemie-Orpheus zu Gast. 

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