Alles wird beim Alten bleiben,
sie werden die Schrauben nur noch fester anziehen.
Seit 1994 führt Lukaschenko in Belarus in sechster Amtszeit die Präsidentengeschäfte, genauer gesagt, das Geschäft des skrupellosen Tyrannen, der kein schlechtes Gewissen entwickelt, wenn er Menschen entführt und auf die Seite schafft, wie zuletzt zynisch bewiesen mit dem Abfangen eines Flugzeuges, das sein Land überflog und der Entnahme eins kritischen Bloggers.
Nach den Wahlen im August letzten Jahres kam es zu Massenprotesten, die aber offenbar genau die Wirkung haben, wie das Titelzitat, das im Film ausgesprochen wird.
Aliaksei Paluyan bringt hier einen hautnahen Frontreport aus dem Milieu der Kritiker und Protestierer. Zentral hat er sich die Gruppe des Freien Theaters Belarus vorgenommen, die kritische Stücke auf die Bühne bringt, an den Demonstrationen teilnimmt und ständig selber befürchten muss, festgenommen zu werden. Diese Gefahr dürfte durch diesen Film nicht geringer werden.
Es versteht sich von selbst in einem tyrannischen System, dass solche demokratisch und frei denkenden Schauspieler auf einer Liste mit Namen stehen, die vom Drehgeschäft ausgeschlossen sind.
Der Regisseur der Theatergruppe lebt im Exil in London und führt über einen Internetvideodienst die Regiegespräche. Vor allem bei einem Schauspielerehepaar mit einem kleinen Kind ist der Dokumentarist auch ganz privat dabei. Gerade wenn man Familie hat, braucht es besondere Courage, an Demonstrationen teilzunehmen oder erst recht, ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen, was direkt die Entführungen und das Verschwindenlassen von Menschen durch das Lukaschenko-Regime anprangert.
Es gibt Gespräche mit Schauspielern oder mit Bekannten. Es ist ein Thema, gerade bei den nicht mehr ganz Jungen, ob sie an den Demos teilnehmen sollen oder nicht. Es herrscht Angst vor den Folgen. Die dürfte Lukaschenko mit seinem Kidnapping-Coup nochmal verstärkt haben.
Hochemotional kommt das Footage von den Demos rüber, diese riesigen, friedlichen Massen, die Menschenmengen, die der Polizei gegenüberstehen, die ihnen Blumen überreichen, sie umarmen, sie zur Rede stellen, ihr Heimatgewissen befragen oder auch martialische Aufmärsche der Polizei mit Wasserwerfern.
Menschen warten vor dem Gefängnis auf Entlassene und hören gebannt einer Rednerin zu, die eine Liste mit den Namen von Gefangenen vorliest; hier bietet auch ein Rechtsbeistand seine Hilfe an.
Besonders eindrücklich ist es, wenn eine große Menge von Demonstranten einfach schweigt: eine lastende – höchst beredte – Stille.
Es gibt auch einen saukomischen Ausschnitt aus einer Theaterproduktion von 2015 zu sehen, drei Männer, Musiker, stehen auf der Bühne, mit einem Zwangslächeln, als ob ihnen mit Wäscheklammern die Lachmuskeln nach hinten gespannt worden wären. So ein Lachen ohne Pointe, das sich irgendwann im Publikum, wenn man es denn hält, entladen muss. Das sind so Symboliken. Aber heute seien selbst die nicht mehr möglich. Der alternde Diktator habe die Stellschrauben nochmal massiv angezogen.
OMON, das lernen wir auch, ist der Name für die schlecht beleumdete Polizei. Wenn einer der Protagonisten eine Wespe in der Küche fängt, sagt er, er spiele OMON; aber die Gefangene entlässt er behutsam in die Freiheit.