„Wenn Mord Poesie ist, dann ist Kindsbetreuung Prosa.“
Der Satz stammt nicht von Nietzsche, der wird auch an einer Stelle in diesem südkoreanischen Film von 2017 zitiert, er stammt vom Protagonisten, dem Tierarzt Byung-su (Seol Kyung-gu).
Bis vor 17 Jahren war Byung-su ein Serienmörder. Er hat eigens ein Grundstück gekauft und darauf ein Bambuswäldchen angelegt, um darin die Leichen seiner Opfer zu vergraben. Ein Autounfall vor 17 Jahren hat bei ihm einen Gehirnschaden verursacht mit Gedächtnisverlust in der Folge.
Eines der Probleme von Byung-su ist, dass das physiologische Gedächtnis nicht verloren gegangen ist; wenn er ein mögliches Opfer sieht, fangen bei ihm Zuckungen im Gesicht an und die Hände wärmen sich auf für den Würgegriff. Das ist für sein Leben ein gewisses Risiko, da seine Tochter Eun-hee (Seol-Hyun Kim) inzwischen eine wunderhübsche junge Frau im besten Alter ist und wenn er sich nicht daran erinnert, dass sie seine Tochter ist … sie wohnt auch noch bei ihm.
Das ist nur einer der Reize dieses Filmes von Shin-yon Won nach dem Drehbuch von Jo-yun Hwang nach dem Roman von Young-ha Kim, dass in der geschilderten Ausgangssituation schon ständig Gefahr lauert, ein weiterer Reiz ist, dass Byung-su einen Poesie-Kurs besucht. Hier sind viele ansprechende Frauen; die himmeln jedoch scharenweise den Referenten an.
In diesem Poesie-Kurs wird eine gefährliche Harmonie zwischen Kunst und Bluttat beschworen, zwischen einer Realität von Byung-su und dem schönen Text über seine schlimmen Taten. Und hier kommt der Hinweis mit dem eingangs zitierten Satz, dass Familie und Mord wohl eine intime Beziehung haben, dass Familie lebensgefährlich sein kann (die meisten Morde passieren bekanntermaßen in familiären Verbindungen).
Die Angelegenheit wird komplexer durch den Faktor, dass in diesem kleinen, fast dörflich überschaubaren Umfeld, in dem die Geschichte spielt, ein zweiter Serienmörder auftaucht, Takei (Nam-gil Kim), ein äußerst gewinnend-sympathischer junger Polizist, dessen Charme insbesondere junge Frauen leicht erliegen können. Eine Autokarambolage macht ihn mit dem Veterinär bekannt – beide spüren augenblicks ihre Seelen- und Täterverwandtschaft. Aber der junge Polizist lernt auch Eun-hee kennen.
Vierte Hauptperson ist der Polizist An Byeong-man (Dal-su Oh), der bodenständig mit all dem Mörderwahnsinn um sich herum und mit der Demenz des Veterinärs, der immer noch arbeiten darf, klar kommen soll.
Die Demenz spielt den Choker im Mörder-Game. Denn wo keine Erinnerung ist, da tritt die Spekulation an ihre Stelle. Dafür bietet das Kino einen idealen Ort, um Dinge zu erinnern, vorzuspielen, zu vermuten, vorzutäuschen mit einer tüchtigen Realitätsbehauptung, die wahr sein kann oder unwahr, nur gedacht, nur geträumt, allenfalls angstgeträumt.
Die enge Figuren- und Problemkonstellation führt zu einer Vielzahl möglicher Verbrechen in einem reizvollen Mix aus Thriller mit Realismo-Einsprengseln samt einer Prise Trash und spekulativer Fiktion. Egal: vergessen wir nicht: es gibt gute Mörder und schlechte Mörder. Gute Mörder, wie Byung-su sich sieht, die schaffen menschlichen Müll weg, meint er, das sei eine reinigende Passion – wenn da nicht diese Vergesslichkeit wäre.