Man wird doch wohl noch träumen dürfen,
dass es doch eine Gerechtigkeit gibt auf der Welt, dass Vorurteile überwindbar sind, dass als Bastard geboren zu sein, nicht Hoffnungslosigkeit bedeutet, dass eine ungewöhnliche Künstlerbegabung eine Chance hat, auch wenn sie sich diese hart erkämpfen muss, dass eine hochtalentierte Frau auch Dirigentin werden kann.
Heute gibt es Dirigentinnen (am 15 Juni wird eine Frau bei BR Klassik Monte Verdi dirigieren). Der Film von Maria Peters spielt in der Zeit der großen Wirtschaftskrise des letzten Jahrhunderts in den spätern 20er und frühen 30er Jahren.
Das Märchen dieser Geschichte wird nur noch märchenhafter dadurch, dass es „nach einer wahren Geschichte“ erzählt ist, nach der Geschichte von Antonia Brico (Christianne de Bruijn), einem adoptierten Kind, das in New York in einfachen Verhältnissen aufwächst und das mit 5 Jahren zum ersten Mal eine Orgel hört und sofort fasziniert ist, dass sie die Musik seither nicht mehr losgelassen hat, ja dass sie zu ungewöhnlichen, geradezu dreisten Mitteln greift, um der Musik nahe zu kommen.
Die Spannweite zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen hartem Kampf und Rührpotential gibt Peters gleich in den ersten Szenen vor. Antonia, die hier noch Willy heißt, arbeitet als Platzanweiserin in einem Konzertsaal, der bei uns mindestens zu einem Staatstheater gehören würde. Hier verkehrt die feine Gesellschaft von New York.
Die Platzanweiserinnen dürfen allerdings den Vorstellungen und den Konzerten nicht beiwohnen. Antonia ist kaum aus dem Saal zu kriegen, so hängen ihre Augen am Dirigentenpult. Gleich schon findet deshalb in der Herrentoilette die Begegnung mit einer wichtigen Figur im Film, mit Frank Thomsen (Benjamin Wainwright), statt. Denn hier übt Antonia das Dirigieren.
Frank tritt in den Raum, sie lässt den Dirigentenstab fallen, übt sich in Ausreden. Auch hier ist klar, dass daraus eine Geschichte wird, eine Liebesgeschichte, allerdings mit allen den Hindernissen, die sowohl der Klassenunterschied als auch das Thema der Vereinbarkeit von Dirigentinnenkarriere und Ehe mit sich bringen.
Wie sorgfältig kalkuliert der Film ist, zeigen zwei Details. Der auf der Herrentoilette fallen gelassene Dirigentstab wird später im Film zu einer Echoszene führen. Genauso verhält es sich mit der Info, dass Antonias Adoptivvater Straßenkehrer sei, diese dient nicht nur dazu, zu begründen, warum sie in ihrer einfachen Wohnung ein Klavier hat, auf welchem sie üben kann (der Tonraum ist wegen der Nachbarn mit Lappen ausgefüttert), sondern wird auch spät im Film noch ein kleines signifikantes Echo haben.
Die eingangs erwähnten Ziele des Filmes werden durch eine zielstrebige Erzählökonomie erreicht. Peters lässt sich genügend Zeit für die Exposition von Figuren und Konflikten, für unnötige Details wird keine Zeit verschwendet und wenn dramatische Entwicklungen in Gang gekommen und absehbar sind, dann reicht es oft, Zwischenstationen mit kaum mehr als Flasheindrücken anzuskizzieren, schnell vorbeiziehen zu lassen, so gleichzeitig dem Märchen und der Publikumsaufmerksamkeit dienend, was umso leichter fällt, als ein exzellent ausgewählter und regielich prima betreuter Cast die Geschichte vor unseren Augen ablaufen lässt. So wird ganz leicht auch eine Me-Too-Episode eingebaut. Auch auf erheiternde Momente wird nicht verzichtet, wie die problematische Diskussion mit einer Nonne zeigt, die sich in einer Schweigephase befindet.
Gleiche Chancen scheint es also zu geben, allerdings gibt eine Info im Abspann zu bedenken, dass Kritikerlisten mit den besten 20 oder 50 Dirigenten aller Zeiten nicht eine Frau enthalten würden, wobei nicht erwähnt wird, wieviele von den Votanten Männer und wieviele davon Frauen waren.