Kilometer schrubben,
ein Reiseselfie.
Otti (Tobias John)und Keule (Matthias Schneemann) fahren mit dem Rad in etwas über 8 Monaten von Heiligenstatt auf dem Kontinentalweg über Türkei, Iran, China nach Vietnam und filmen sich dabei. Sie wollen als Herausforderung die über 10′ 000 Kilometer mit ihren Beinmuskeln bewältigen.
Es ist ein Abenteuer, das das Leben eben nicht so beschreibt: Kind, Schule, Ausbildung, Beruf und Familie, Rente. Es ist, wie Otti am Ende feststellt, Professionalisierung eines Lebensstiles, den sie so nie wieder werden brauchen, allenfalls mit dem Rad mal zum Bäcker, wenn sie in Deutschland zurück sind.
Ein Lebensstil, der aus Kilometer fressen, essen, schlafen, Pannenbeheben, aufstehen, Drahtesel und Kilometerfressen besteht. Dabei zieht die ständig wechselnde Landschaft wie eine Kulisse durchs Bild.
Das Filmische am Projekt wird unterstützt von Waldemar Schleicher. Der filmt die Vorbereitungen und begleitet das Duo die ersten Tausend Kilometer, bringt ihnen in Kirgisistan neues Fahrradequipment und fährt mit ihnen in Vietnam die letzten tausend Kilometer.
Den Wok, den Keule die ganze Zeit mit sich schleppt, den brauchen sie erst in Vietnam. Wie sie überhaupt die Erfahrung machen, dass viel Gepäck gar nicht nötig ist, dass manches von unterwegs nach Hause zuürckgeschickt werden kann.
Die Idee zur Reise entwickelte sich aus einer Coming-of-Age Radtour mit vier Freunden durch Europa. Auch diese, es gibt Reminiszenzen daraus zu sehen, gingen sie ohne viel Vorbereitung an.
Das Subjektive an dieser Reise nimmt den Zuschauer gefangen. Die Freundlichkeit der Leute in Iran oder in Vietnam, eisig verschneite Berge und Minusgrade in Turkmenistan, wo es doch ratsamer ist, auch mal ne Taxe zu nehmen, wenn es bei dieser Kälte auf über Pässe von 4000 Metern geht.
In den Film sind einfache Zeichnungen integriert, offenbar nach der Erinnerung, speziell die Polizei in China, weil dort nicht überall gefilmt werden darf. Mit Zeichnungen lassen sich Urheberrechtsprobleme elegant lösen.
Zeitweilig trägt Keule eine Mütze mit ner Werbung für eine Uhrenmarke; das kommt etwas schräg rüber. Es tauchen die Probleme mit den Visa für China und Turkmenistan auf. Der Eindruck von den Ländern, den Menschen, den politischen Situationen ist ein flüchtig touristischer; ist doch der Radfahrer als solcher erst mal isoliert auf seinem Drahtesel.
Trotzdem gibgt es nette Begegnungen, temporäre Begleiter und Mitfahrer aber auch kulinarische Einblicke. In Vietnam sprechen die beiden Protagonisten hemmungslos dem Alkohol zu. Eine der ersten Pannen die passiert, und solche werden aus der Distanz zu Anekdoten, ist diejenige, dass die beiden ein Navi hatten, das auf „Wandern“ und nicht auf „Rafahren“ programmiert war, mit den entsprechenden Wegen.
Durch die Subjektivität der Selfie-Methode kann der Zuschauer mental-emphatisch die riesige Kraftanstrengung nachvollziehen; das hat eine reinigende Wirkung, macht andere Dinge vergessen und stefe hat in der Nacht nach dem Sichten besonders lang und ohne Unterbrechung geschlafen.