Fotografiefilm
In diesem aus der Ukraine, Deutschland, Lettland und Katar multipel geförderten Film von Alina Agorlova spielt die Kamera die Hauptrolle.
Mit jedem Bild erzählt die Kamera, dass sie dem, was sie sieht, Gewicht verleiht, dass sie ihre Objekte sehenswürdig macht. Dass der Film in Schwarz-Weiß gedreht ist, verstärkt diesen Eindruck. Hier kann besonders deutlich an Hell-Dunkel-Unterschieden gearbeitet werden, hier bekommt alles Gewicht, Wichtigkeit, ob Erdoberfläche als gefurchte Haut, ob Wasseroberfläche, ob die Montage von Schießrohren auf Panzer, ob Menschenmassen, die über eine Grenze drängen, ob eine Charity-Veranstaltung vom ukrainischen Roten Kreuz – es ist wohl die Postproduktion, die extrem an der Herausarbeitung dieser Als-solche-wichtig-Message arbeitet.
Gewichtigkeit verleiht Alina Gorlova ihrem Film auch durch das neutrale Strukturmittel der Nummerierung, die bei Null (zero) anfängt. Null: Erdoberfläche, eins: ein Einsiedler, der einen Monolog an seine Katze hält, russischer Pass, zwei: Panzerproduktion, drei: Charity und Militär.
Vielleicht sind solche abstrakten Nummern lediglich Ablenkungsmanöver, um vorzugaukeln, es handle sich um eine Geschichte, die herzustellen dem Kopf des Betrachters überlassen bleibt. Film ist nun mal weitgehend auch Trickserei.
Andererseits kommen auf diese Weise eine Menge Momentaufnahmen aus der Ukraine zustande, die ein zerrissenes Land zeigen, das sich auch noch mit dem Nahostkonflikt ständig beschäftigt. So wechseln sich hier in schöner Abfolge, die die Krieg führen und Menschen töten und die, die helfen und heilen wollen und dazwischen die armen Schlucker, die auf Hilfe angewiesen sind.
Dokumentation im Sinne einer neutralen Berichterstattung, im Sinne einer Skepsis, die sich zurückhält, die alle Schuld der Kamera zuweist. Im zurückhaltenden Sinne dessen, der nicht Partei ergreifen will, der sich raushält, der keine Schuldzuweisungen trifft, der keine Verantwortlichen ausmacht.
Vielleicht auch im Sinne einer fatalistischen Haltung, die gar nicht erst erwartet, mit den Mitteln des Dokumentarfilmes die Welt verändern zu wollen oder sie aufzuwecken. Denn durch die Kamera – und vielleicht durch ihre Eitelkeit – wird alles gleichgemacht, Kanonenproduktion wie eine Menge junger Schafe in der Stube eines alten Ukrainers.
Die Frage, ob so ein Kino vielleicht sogar ein amoralisches Kino ist, eines, das sich mit Beurteilung zurückhält, sich aber mit einer praktisch unangreifbaren Fotografie gegen derlei Einwürfe vorbeugend absichert. Und so, wie der Regen im Titel nie innehält, so könnte es ewig weitergehend mit den Kapiteln, den Nummern, die Rückenmassage, Situation syrischer Flüchtlinge in der Ukraine (wobei daraus eine rudimentäre Geschichte mit einem Abstecher nach Syrien ensteht), Fabrikschlot, Naturimpressionen, geknickter Wald, Panzerkolonnen, Schwarzbild, Zahl, City, Prideparade, vier, fünf, sechs, sieben, viele, viele, zero …