René (DOK.fest)

Autonomie eines Autors auf der falschen Seite des Gesetzes

Es gibt Momente, da erinnert René um die Augen herum an Fassbinder. Das Verbindende: diese Unbestechlichkeit des Blickes, vermutlich aus tief verletzter Seele, Voraussetzung für radikale Autonomie. 

Ein Blick der einerseits wach, andererseits auch von einem tiefen Misstrauen den Menschen gegenüber geprägt ist (plausibel macht das Misstrauen der kaputte familiäre Hintergrund von René). 

Der Blick muss die tschechische Filmerin Helena Trestikova, der das DOK.fest München 2021 eine Hommage widmet, 1989 noch vor dem Fall der Mauer angezogen haben. Er ist ein jugendlicher Gefängnisinsasse. Über ihn macht sie einen Dokumentarfilm. Sie baut über einen Briefwechsel ein Vertrauensverhältnis zu ihm auf. Der jungendliche Delinquent sollte sich für sie als Filmemacherin als Glücksgriff erweisen. Auch das ist Thema in dem Film von früh an, ob er nur ein Objekt sei für sie, für ihre Karriere; andererseits gibt es den Hinweis, dass auch er wiederum davon profitiert haben könnte, indem ihm die Protagonistenexistenz auch Lebenssinn gegeben haben kann. 

Die Autonomie von Renés Denken und Handeln äußert sich zuerst in wirtschaftlicher Hinsicht. Er sieht es nicht ein, einen Deppenjob zu machen, bloß um sich seinen Lebensunterhalt und kleinere Annehmlichkeiten leisten zu können. Das heißt nicht, dass er das ganz große Rad drehen muss. Aber mit Diebstählen, Wohnungs- und Autoeinbrüchen ist das Leben leichter zu bewältigen. 

So beginnt eine zukunftsträchtige Knastkarriere und für Trestikova ein Projekt über fast 20 Jahre. Diese Knastkarriere wiederum steht durchaus auch, so viel lässt René durchblicken, in Wechselwirkung zur Dokumentation. 

Im Knast liest René viel, fängt an zu schreiben, wird zum Autor; aber ein Leben als freier, selbstverantwortlicher Bürger kann er da nicht lernen, wie denn auch; er sieht sich nicht als nützliches Mitglied der Gemeinschaft; ein Gedanke, mit dem er hohe Gemeinschaftskompetenz zu verstehen gibt, wohl höher als von vielen nützlichen Idioten in der Gesellschaft. Womit der Film die Frage aufwirft, wie weit denn Gefängnisstrafen hilfreich sind, sowohl für die Straftäter als auch für das Gemeinwesen. 

Die Geschichte der Tschechoslowakei und die Aufteilung in Tschechien und die Slowakei nach der Wende wird in immer neuen Vereidigungen von Staatspräsidenten übers Fernsehen eingespielt.

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