Tunnel (Heimkinostart)

Brüchigkeit der Zivilisation

Klar, das ist der Kitzel des Katastrophen-Genres, dass ihm ein gesundes Misstrauen der modernen Technik gegenüber innewohnt, dass es mit dem Gedanken an deren Zusammenbruch spielt, etwa damit, dass Unglücke mit menschlicher Technik (hier: Tunnelbau), die rein theoretisch passieren können, irgendwann auch praktisch passieren werden, zB bei einem gerade eröffneten Autobahntunnel und dann eventuell ganz schnell. 

Geschäftsmann Lee Jung-Soo (Jung-woo Ha), Vertreter von Kia-Motors, fährt routinemäßig in den Hoda-Tunnel ein. Vorher telefoniert er noch mit seiner Frau Se-Hyun (Bae Doona), dass er bald da sei und was er besorgt habe und einem Kunden will er nach der Tunneldurchfahrt einen genauen Preisvorschlag machen. 

Der Tunnel ist autoleer, schnell wird klar, da stimmt was nicht und nach grad mal 5 Minuten glaubt man, der Film habe sein Pulver verschossen, dann ist dunkel, Stille, Husten, langes Schwarzbild – und jetzt fängt wohl die Katastrophe erst richtig an. 

Statt Endpunkt ist jetzt Anfangspunkt, der Film von Seong-hun Kim öffnet verschiedene Perspektiven, die in Hochspannung zu einanderstehen nach dem perfekten Rezept eines Katastrophenthrillers. Ein Tunneldrama, ein Eingesperrt-Drama, ein Bewusstseinsdrama. Es geht um den Horror, mitten aus einer sicher geglaubten, hochzivilisierten Welt herausgerissen zu werden. 

Perfekt nach den Regeln des Genres und mit den Raffinessen des modernen Kinos auf dem neuesten Stand der Technik von Kamera und Computeranimation ausgestattet: Exposition, Unglück, Versuch des Kontaktes zur Außenwelt mit Handy, Medienberichterstattung und Rettungsmaschinerie, die News-Welle, der verschüttete Protagonist, der Seitenhieb auf die moderne Technik: Tunnel erst gerade eröffnet und schon eingestürzt, Medienzirkus, die überforderten Retter („Gib mir mal das Handbuch“, „Gibt’s nichts Aktuelleres?“ „Es gibt eines der Amerikaner, aber ist nicht übersetzt“), Probleme der Kommunikation, psychologische Krisenberatung und – selbstverständlich beim Verschüttungsdrama – die Klaustrophobie, aber auch problematische Baupläne, Schilderung des Gefahrenszenarios, die verschiedenen Perspektiven, das Wettrennen mit der Zeit, wie lange reicht der Akku, ein Hund.

Zwischendrin eine fast wohlige Katastrophengemütlichkeit und kleinere Randdramen, wie auch kleinere Randerheiterungen. Dagegen: keine Angst vor einem brutalen Twist auf der Endstreke der Rettung. 

Nun ja, die Synchro ist nicht vom Feinsten, aber Katastrophenfilme brauchen das auch nicht, die leben nicht direkt von Sprachnuancen. 

Prima Personal. Der unaufgeregt selbstverständliche Retter Dae-Kyung (Dal-su Oh), der einen gewissen gesunden Menschenverstand hat, das Opfer Lee-jung Soo, das unter Tage samariterhafte Züge zeigt in der Not und seine Frau, die bangt, derweil sie Kinoschönheit ausstrahlt, und dann einen sehr schweren Entscheid fällen muss, und als Randfigur die Politikerin, die eins ausgewischt bekommt und wie das der Öffentlichkeit kommuniziert wird. 

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