Narren

narren“ 

ist im Rottweiler Schwäbisch ein intransitives Tätigkeitswort, also nicht im Sinne von „jemanden zum Narren halten“, sondern von „Narr sein“, wenn ich das richtig verstanden haben. Das ist eine Tätigkeit, die Männern vorbehalten und das ganze Jahr über virulent ist und in ein Event mündet, das Narrensprung heißt. 

Wobei die Traditionalisten just den Begriff Event ablehnen. Es ist der Höhepunkt dieses Teils des männlichen Soziallebens, das einem Marathon zu vergleichen ist, drei Tage lang unter Masken und Kostümen in Bewegung und tüchtig am Trinken sein. 

Ohne Frauen gehen die Vorbereitungen selbstverständlich nicht. Aber dass sie selber narren oder sich unterm Rössle verstecken, das ist ein Tabubruch und wird mit Sperre von bis zu zehn Jahren geahndet. 

Zu bedenken ist dabei, dass es nur 27 Rössle gibt (mit je zwei Treibern) und dass Tausende von Narren bei dem Ereignis dabei sein wollen, nicht nur aus Rottweil. 

Sigrun Köhler und Wiltrud Baier (Wer hat Angst vor Sibylle Berg, Schotter wie Heu) haben sich für den SWR über ein Jahr einigen Protagonisten und Zuarbeitern und Zuarbeiterinnen dieses Ereignisses gewidmet. Ihre Produktionsfirma heißt Böller und Brot und die hat schon den Film „Wer hat Angst vor Sibylle Berg“ beachtlich gemacht. Aufgefallen sind die Filmemacherinnen schon davor mit „Schotter wie Heu“. 

In Rottweil sind sie nun – nicht stur chronologisch – dabei, wie Schnitzer die Masken herstellen, wie Männer, Mädchen (bis etwa 16) und Buben das Knallen der Peitsche üben oder wie die Peitschen ausgesucht werden, wie die Kostüme hergestellt, gepflegt, bereitgestellt und von einem Gremium abgenommen werden, aber es gibt auch Einblicke in Sitzungen der Vereine oder in eine Diskussion über die Ernsthaftigkeit der Narretei. 

Die beiden Fimemacherinnen vermitteln spannend, wie das „Narren“ ein elementarer Bestandteil des kulturellen und sozialen Lebens vieler Rottweiler ist und wie die Kinder von Kleinauf in die Tradition hineinwachsen, kaum können sie gehen, marschieren sie schon mit im Kinderkostüm. 

Die Masken selber faszinieren mit ihrem stoisch-asiatischen Lächeln (es gibt auch bösere!). Und imposant sind beim Ereignis selber nicht nur die vielen Glocken an der Unzahl von Narrenkostümen sondern besonders auch die Peitschenknallereien; die Bayern würden es Goaßlschnalzen nennen. Und auf die Tonspur, da darf schon mal eine zünftige Blasmusi. 

Ein Stück Heimatkunde aus dem Schwäbischen mit untertitelten Sonderausdrücken wie „Kleidle“ und „Larve“ oder „jucke“ oder „Guller“. Und als ob die Filmemacherinnen Corona geahnt hätten, fangen sie ein Statement über eine virtuelle Fasnacht ein. 

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