Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt (digitale Preview zum Frauentag)

Eine Frau ohne Geschichte,

so bezeichnet sich Andrea (Nina Schwabe), die Frau im Dreiecksverhältnis zwischen Philipp (Henning Kober) und Martin (Theo Trebs). 

Es ist nicht irgend ein Dreiecksverhältnis, was hier in analytischer Präzision aufgedröselt wird, es sind nämlich Vater Philipp und Sohn Martin, während Andrea die neue Frau an der Seite des Geschäftsmannes Philipp ist nach dem frühen und unerwarteten Tod seiner Frau und von Martins Mutter. 

Die Laborsituation, unter der Regisseurin Eliza Petkova dieses Verhältnis untersucht, ist steril, wie man es sich nur wünschen kann. Die Protagonisten wohnen in einem schicken Bungalow in Sterildesign. Es gibt einen nicht weiter erwähnenswerten Garten mit Pool. 

Was die Geschichtslosigkeit betrifft, stehen die Männer Andrea in kaum was nach. Ganz wenig ist zu erfahren. Dass der Sohn den Vater schon als kleinen Buben abgelehnt hat, dass sie mit einem Schulfreund von Martin freie Tage in einem Holzhaus im Wald verbracht haben. 

Gut für die Illustration der Verwirrung der Gefühle, um die es hier geht, ist ein Felslabyrinth in der Nähe der Holzdatsche; da kann man Verstecken spielen. 

Es ist ein Hochschulfilm, vermutlich Abschlussfilm. So einer muss immer und zuerst als Prädikat für die Hochschule dastehen im Sinne, dass er zeigt, was hier an Handwerksvermittlung gelungen ist. Das ist einiges – und mit enormer Sorgfalt dazu -: Kameraarbeit, Licht, Ton, Locations, Ausstattung, Schnitt, auch die Reduziertheit der Dialoge, das Inszenieren knappen Sprechens, die konzentrierte Arbeit der Schauspieler, all das dürfte zu besten Bewertungen für die Regisseurin, die auch das Drehbuch geschrieben hat, führen und es verwundert nicht, dass als künstlerischer Berater ein Christoph Hochhäusler firmiert, sein Stilwille färbt ab. 

Bei näherer Betrachtung ergeben sich aber schon Fragen. Wie passt das zusammen, dass Andrea offenbar mit Andersbegabten arbeitet? Mit so einer Szene fängt der Film an, sie imitiert Tierstimmen und die Kinder müssen das Tier erraten. Ist sie hauptberufliche Pädagogin oder macht sie das nur als Hobby? Ihr Verhalten im Privatleben im Bungalow ließe jedenfalls die Idee eines solchen Jobs nicht direkt aufkommen. 

Im Bungalow spielt Andrea die undurchschaubare „Frau ohne Geschichte“. Das kann leicht als Synonym für Flittchen gelesen werden. Wer keine Geschichte hat, ist der Gegenwart ausgelierfert, die Frau also dem Mann oder allenfalls gar der Frau, ein Mensch ohne Geschichte kann keine Hemmung kennen, ist den Trieben ausgesetzt, gibt diesen bedenkenlos nach, kennt keine Skrupel; dürfte aber auch bar jeglichen Gestaltungswillens sein. Das heißt aber nicht, dass sie berechnend ist. 

Andrea wird eingeführt in einer Vorszene, wie sie verspielt, kindlich im nicht weiter erwähnenswerten Garten des Bungalows Tanzbewegungen ausführt, die erzählen, dass sie sich frei fühle. Braucht aber ein Mensch ohne Geschichte ein Freiheitsgefühl? Ein Mensch ohne Geschichte kann ja auch keine Unterdrückung gekannt haben. Eine Geschichte kann so jemanden auch gar nicht belasten; wer keine Geschichte hat, kann keine Fesseln – oder Freiheitsrechte – aus einer Geschichte haben. 

Das Sterildesign der Bungalows kann als Symbol für die Entfremdung des modernen Menschen gelesen werden, wie Philipp ihn repräsentiert, ein Geschäftsmann, der vom Menschlichen um ihn herum nicht allzuviel wahrnimmt. Wobei sich die Frage stellt, ob dann nicht doch Andrea die treibende Kraft in der Beziehung war. Zu viel Fragen nach der Herleitung dieser zentralen Verhältnisse sollte man vielleicht gar nicht stellen. 

Die Auflösung des Dreierkonfliktes kommt etwas überraschend, überraschend, weil es doch auch bei den anderen Figuren deutlich an Geschichte mangelt – wodurch das Element der Beliebigkeit gegenwartsstrukturierend wird. Die Figuren scheinen erfunden worden zu sein, um einen hypothetischen Dreieckskonflikt zu begutachten und zu illustrieren. 

Die Käuzchensymoblik, die zweimal zitiert wird in diesem Schönwetterfilm, darf jeder interpretieren, wie er/sie will. 

Zum Titel wäre zu sagen, ein Fisch der auf dem Rücken schwimmt, ist normalerweise ein toter Fisch; wenn das ein Hinweis auf das Frauenbild ist, dann könnte der Film Anlass zu heftigen Diskussionen geben. 

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