Mit 60 schon halbgelähmt im Rollstuhl, aber hellwach; die Folge eines exzessiven Lebens, das Stoff für eine über zweistündige, explosive Footage- und Interviewdoku hergibt, die einen wahren Leinwandrausch erzeugt, angereichert mit eigens hergestellten, brillanten Animationen und dazu noch einem Abriss der irischen Befreiungsgeschichte.
Die Erzählbasis sind neuere Interviews oder auch eine Kneipenbegegnung mit Johnny Depp, einem Freund des berühmten irischen Songwriters und Sängers, und der den Film auch produziert hat.
Das Narrativ, das mit diesem Footage-Feuerwerk entsteht, ist chronologisch, doppelt chronologisch, zum einen die irische Befreigunsgeschichte beginnend vor über 100 Jahren, dann individualchronologisch, beginnend mit den Eltern des Sängers Shane McGowan. Der Vater ein begnadeter Mathematiker, das ist möglicherweise grinsend gemeint, der sich auf Wetten spezialisiert hat, Mutter in den 50er Jahren in Irland ein Topmodel. Aber Irland war arm, wenig Verdienstmöglichkeiten, wie der Bub etwa Jahre alt ist, zieht die Familie nach London, ein herber Bruch für den Buben.
Die Familie will in London zum Mittelstand aufsteigen. Bier zu trinken beginnt Shane im zarten Alter von 6 Jahren in Irland.
In London lernt er mehrere Schulen kennen, nie lange. Dann stößt er auf die Literatur. Seine Begabung wird bemerkt. Doch die feine englische Schule ist nicht sein Ding. Iren wurden in London gemobbt. Auf die harte Tour, keine Angst vor körperliche Auseinandersetzung. Heranwachsen mit Alkohol, Drogen bis zum psychiatrischen Klinik (auch seine Schwester ist eine Interviewpartnerin, die davon erzählt). Paranoia mit 16 in London, keine Schule fertig, Jobs, Drogen, Paddys klatschen und zurück zur irischen Musik, aber den Traditionalisten in den Arsch treten. Sein Genie: der Äther ist voller Melodien, man muss sie sich nur greifen.
In der Klinik in einem Einzelzimmer findet er eine Gitarre vor. Er schreibt und spielt. Der Weg von da zur ersten Band ist kurz. Ein treibendes Motiv ist Irland, das Irische, die irische Befreiungsbewegung.
In wenigen Jahren vom Erfolg überrollt. Welttournee, fast jeden Abend Auftritt, Zerstörung der sozialen Netze, das Ziel der Musik aus den Augen verloren, nur noch Geld und Drogen. Es scheint so eine typische Punk-Karriere zu sein und er entschuldigt sich dafür, sich verloren zu haben, beim Rock gelandet zu sein.
Julien Temple macht diesen schier endlosen Lebenshunger, der sich in der Drogensucht zeigt und der oft in der Nähe des Todeshungers angesiedelt scheint, durch eine dichte Footag-Montage nacherlebbar. Das Verstörende an dem Film ist die tiefe Zwiespältigkeit sowohl des Irland- als auch des Shane-Bildes: einerseits der kompromisslose Kampf für Unabhängigkeit bei gleichzeitiger Abhängigkeit von Drogen, was den Menschen schließlich als Ruine zurücklässt.
Immerhin, am Schluss wird der Film zum Hochzeitsfilm – das kann manche Gegensätze kitten. Vielleicht erklärt dieser Zwiespalt, resp. die Verzweiflung an der Aussichtslosigket zur Versöhnung der Gegensätze, warum das häufigste Wort, das Shane als Kind gehört hat, „Fuck“ war und überhaupt das Fluchen, was im Rückblick auf die blutige Befreiungsgeschichte der Iren wiederum nicht von der Hand zu weisen ist.