Lebenslinien: Einsatz in den Bergen (BR, Montag, 11. Januar 2021, 22.00 Uhr und ab Donnerstag, 7. Januar in der Mediathek)

Spanggangerl.

Wast Pertl, der Protagonist der Lebenslinien von Georg Antretter, war nach eigenen Worten als Junge ein Spanggangerl (hoffentlich richtig verstanden); so etwas wie ein Kaspar, ein Klassenclown. Hinter solchen steckt gerne Traurigkeit. Die liegt bei Pertl in der Kindheit auf dem elterlichen Hof begründet. 

Nachkriegszeit. Alles musste arbeiten, auch auswärts. Der kleine Pertl blieb tagelang in seinem Laufgatter sich selbst überlassen. Die alte Mutter erzählt heute noch, dass er jedoch immer munter gewesen sei. Er selbst konstatiert inzwischen Defizite, kaum Beschäftigung der Eltern mit ihm, kaum Liebkosungen, kaum Herzlichkeit. 

Bei der Bergwacht hat er mit dem Heranwachsen den menschlichen Kontakt gefunden, Heimat, das, was er vermisst hatte. Und gute Freunde. Später eine etwas ältere Krankenschwester, inzwischen seine Frau und die Mutter seiner Kinder. 

Diese Lebenslinien von Georg Antretter faszinieren durch die Persönlichkeit des Protagonisten. Das ist vielleicht das erste Geheimnis beim Format „Lebenslinien“, wenn es gelingt, eindrucksvolle Protagonisten zu finden, die nicht kamerageil sind, die aber vor der Kamera eine Natürlichkeit bewahren. 

Wie peinlich Lebenslinien sein können, wenn hauptamtliche Promis die Sendung als Werbezeit für sich als Markenbotschafter nutzen, da bleibt unübertroffen der Beitrag über Rosi Mittermaier und Christian Neureuther oder der PR-Film aus einem anderen Format (‚Kreuzer trifft‘) über Magdalena Neuner. Dass Gebührenzahler dafür zur Kasse gebeten werden, ist nicht nachvollziehbar, ja geradezu abstrus. 

Das zweite Geheimnis überzeugender „Lebenslinien“ betrifft den Dokumentaristen, den Menschen hinter der Kamera, der es schaffen muss, den oder die Porträtierte vor der Kamera glaubwürdig und persönlich erscheinen zu lassen. Auch das gelingt hier exzellent. 

Pertl ist ein bedächtiger Mensch. In dem, was er tut, ist er kreativ, lösungsorientiert, wie man das im modernen Businesssprech nennen würde. Von einem Tag auf den anderen musste er den Hof seines Vater übernehmen, ohne je gebauert zu haben. Beim Notar unterschrieb er etwas, von dem er keine Ahnung hatte, weil man das halt so macht. – Bald ist er im Tal der erste Ökolandwirt. Das wären Erfolgsmeldungen, die aber nicht als solche ausgeschlachtet, eher mit heimlichem Stolz erwähnt werden. 

Andererseits gibt es Unfälle, traumatische Erlebnisse. Der Einsturz des Eishallendaches in Bad Reichnhall. Hier wird er als Retter dazugerufen. Das verändert, traumatisiert ihn. Für ihn ist es ein gewaltiger Schritt, deshalb den Rat einer Psychologin zu suchen. Auch sie kommt hier vor. 

Antretter hat, was diese Lebenslinien noch mehr vom Durchschnitt abhebt, den Film mit einem leicht jazzigen Sound unterlegt. Das bringt diese Lebenslinien zum Schweben. Hinzu kommt der Sound ein wunderbar natürlich gewachsener Dialekt, nicht irgend so eine gecoachtes Schauspieler-Bayerisch. 

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