Oekozid (ARD, Mediathek)

Löbliche Idee.

Deutschland für seine opportunistische, egoistische Klimapolitik unter Bundeskanzlerin Merkel (die wiederum unter dem Pantoffel der Autoindustrie steckt) zur Rechenschaft zu ziehen, ist eine löbliche Idee. 

Eine Projektion in die Zukunft soll das greifbar machen, dass Handeln Konsequenzen hat und dass der Handelnde (Mensch oder Politiker oder Interessenvertreter) dafür gradestehen muss. 

Andreas Veiel, der mit Jutta Doberstein auch das Drehbuch für dieses Fernsehspiel geschrieben hat, greift in die Zukunft, ins Jahr 2034. Er erfindet eine Verhandlung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, in dem fast zwei Dutzend Staaten, die besonders unter dem Klimawandel leiden, gegen die Bundesrepublik Deutschland klagen und Schadenersatz fordern wegen Nichteinhaltung der Klimaziele. 

So weit, so plausibel und sinnig, zudem beginnt der Film mit der Vorbemerkung, dass die Geschichte auf Auswertung von Original-Dokumenten und wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere. 

Mein Problem mit dem Film ist seine handwerkliche Seite. 

Das fängt schon mit dem Drehbuch an. Es setzt zu viel voraus, wer wessen Interessen vertritt, es verliert sich zu sehr in Details von Zertifikaten, Emissionshandel und freiwilliger Selbstverpflichtung. Sowohl Drehbuch als auch Inszenierung schaffen es nicht, klare Ausgangsposition zu schaffen, wer gegen wen. Es fehlt die empirisch nachvollziehbare Beschreibung der Ausgangspositionen. 

Stattdessen wird versucht, mit einem wildem Mix aus Nachrichten und Internetposts (Sven Schelker als Laurenz Opalka ist einer der wenigen überzeugenden Akteure als bloggender Journalist) internationales Flair und internationale Stimmung, den Atem von Weltkino, Welt-Justizthriller à la Hollywood zu erzeugen. 

Wogegen das Inzüchtlerische deutschen Fernsehens nur noch mehr auffällt. Schlimm genug, dass in diesem Fall der Den Haager Richter ausgerechnet ein Deutscher ist (Edgar Selge bemüht sich, Zuhören zu spielen und weiß nicht recht, weshalb ihm die Requisite eine Brille in die Hand gedrückt hat, so nimmt er sie denn als wahlloses Spielzeug) und wie um dem entgegenzuwirken, werden ihm zur Seite lauter Farbige gestellt, die ganz klar nur Komparsenstatus haben, was wiederum einer Denunziation gleichkommt, drei Frauen, die nicht mal einen Rollennamen bekommen haben. 

Das Sexistische betont Veiel noch mit Inserts auf die Stöckelschuhe von Wiebke Kastager (Nina Kunzendorf); abgefuckteres Klischee geht nicht. Ulrich Tukur als Victor Graf und Verteidiger von Deutschland, versucht sich in private activities, wenn er nicht verhandlungstechnisch nicht dran ist. 

Allen Darstellern gemeinsam ist der Knopf am Hals, der vermutlich ein Mikro ist und aussieht, als seien die Schauspieler ferngesteuerte Marsmenschen. 

Überzeugend ist auch Martina Eitner-Acheampong als Angela Merkel; sie trifft das Wesen dieser Frau exzellent, vielleicht besteht ja eine Seelenverwandtschaft. 

Das Instrument des Deals kommt ins Spiel, auch dies wird nicht präzise genug und viel zu oberflächlich abgehandelt. Es scheint dem Film vor allem um ein Bashing von Merkels Klimapolitik zu gehen. Diesses Ziel gelingt ihm durchaus. Aber das Flair des Gerichtshofes bleibt provinziell, das dürfte mit dem Casting und der Regie zusammenhängen und der mangelnden Souveränität des Richters. Dazwischen gibt es Archivmaterial bekannter und gerne angeklickter Klimakatastrophenbilder und zeitgenössisches News-Footage. 

Und noch ein argumentaitves Problem: der Bauer aus Norddeutschland, der als Zeuge vernommen wird, beklagt sich darüber, dass der Sturm inzwischen sein Erdreich wegfege. Der Sturm mag eine Folge des Klimawandels sein: zum staubigen Erdreich dürfte er selbst aber auch beigetragen haben mit industrieller Landwirtschaft, also mit Überdüngung, mit Glyphosat, kurz: mit nicht nachhaltiger Bewirtschaftung. 

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