Und morgen die ganze Welt

Aus dem Nähkästchen.

Dieser Film von Julian von Heinze, die mit John Quester auch das Drehbuch geschrieben hat, mutet an wie ein anekdotischer Nähkästchenbericht aus einer AntiFa-Gruppe. 

Der Film spielt in Mannheim. Es ist die heutige Zeit. Bis auf die Straßen geht die Konfrontation zwischen linken Gruppierungen und erstarkenden rechten bis rechtsextremen Gruppen. 

Der Film dürfte autobiographisch inspiriert sein; darauf verweist der Artikel in Wikipedia über Julia von Heinze.

Ob bei der Regisseurin zuhause auch die Jagd gepflegt wurde, wie hier im Film, sei dahingestellt. Grad fachmännisch behandelt die Protagonistin, nahe liegend: ein Alter-Ego der Regisseurin, das Ausnehmen der Jagdstrecke nicht. 

Diese Protagonistin heißt im Film Luisa und wird gespielt von Mala Emde, nicht hundertprozentig leinwandaffin, zu sehr mit eisigem Blick augestattet, von mir aus gesehen auch viel zu kontrolliert spielend; das lässt auch die fast immer coiffeusefreundliche Strähne über der Wange vermuten; die bleiche Schminke trägt das ihre zu diesem distanzierenden Endruck bei. 

Luisa studiert, wie auch die Regisseurin in ihrer Jugend, Juristerei an der Uni. Sie schließt sich, wie auch die Regisseurin in ihrer Jugend, durch Ereignisse in ihrer Umgebung einer antifaschistischen Gruppe an, deren Namen mir nicht richtig ersichtlich wurde. 

Fett unterstrichen inszeniert Heinze die erste Begegnung mit Alpha (Noah Saavedra); eindeutig, dass daraus absehbar eine Liebesgschichte wird, gradliniger und konfliktfreier geht nicht. Alphamännchen ein Kopf größer als Weibchen. Das scheint die gänzlich unironische Intention von von Heinze zu sein. So war es halt vielleicht auch. Warum nicht auch Klischee leben und erzählen?

Der dritte im Bunde dieses Kerntrios ist Lenor (Tonio Schneider). Ein Trio, das von mir aus gesehen ohne jegliche Leinwandchemie bleibt. Aber es soll vielleicht ein thematischer Film sein. Anders kann ich mir die Einladung an die Filmfestspiele von Venedig nicht erklären, nicht jedenfalls von der Drehbuchqualität her, wenn Deutsche Nazis oder wie hier Neonazis spielen, dann sind sie offenbar international kompatibel. 

Die Dinge, die erzählt werden im Film, scheinen plausibel, das dürfte der anekdotische Input sein; aber wie sie erzählt werden, das lässt dann doch einen Mangel an tieferer Durchdringung der Mechanik und der Gruppendynamik in so einer Gruppe vermuten; auch zur Figur der Luisa scheint jegliche Distanz zu fehlen; ihr Need scheint drehbuchtechnisch nicht ergründet worden zu sein. Und so sieht man halt, dass sie die ihr vorgeschriebenen Situationen spielt. 

Es geht um Ereignisse, wie diese Gruppe den Faschos es zeigen möchte, wie sie thrillerhaft ein Meeting von denen im Vorfeld eruieren und alles vorbereiten, um es ihnen zu zeigen. Nach dem Zertrümmern der abgestellten Autos der Neonazis kommt es kurz zu einem Konflikt in der Gruppe, ob man die auch physisch noch abservieren wolle; das artet in einen Kampf aus und führt zu weiterer Eskalation, bis hin zu einer Polizeirazzia in der linken Kommune. 

Das ist sicher gut gemeint, solche Erfahrungen filmisch einem breiteren Publikum erzählen zu wollen; aber es ist eines, dieses mit viel Wackelkamera in nachgeschriebenen Anekdoten auf die Leinwand aufzureihen und ein anderes, aus dem anekdotischen Stoff mit Verve und Handwerk eine plausible und spannende fiktionale Handlung „nach wahren Begebenheiten“ zu entwickeln, die den heutigen Menschen ansprechen.

Vielleicht lernt die Drehbuchautorin und Regisseurin das in ihrem neuen Job als Professorin an der HFF: ein guter Lehrender lernt selbst am meisten. (Es wäre also elementar wichtig gewesen, das Thema Widerstand, was dem Film zugrunde liegt, elementar in die Handlung zu verweben). 

Wackelkamerarealismus: macht teilweise eine Räuberpistole aus der Handlung, weil das Thema Widerstand in den Momenten nicht präsent ist. 

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