Nackt in der DDR.
Nach ruhigen Impressionen vom Hauptdrehort, dem Kunsthof Lietzen in Brandenburg, montiert Theres Koppe gleich am Anfang ihrer Dokumentation ein Kabinettstückchen. Ihre beiden Protagonistinnen Erika Stürmer-Alex und Christina Müller-Stosch, zwei hochkarätige Künstlerinnen, sind über ein Stasi-Protokoll von 1985 gebeugt. Ein gewisser F. hat den Kunsthof damals besucht. Den hatten die beiden Frauen, die sich lieben, damals von der DDR erstehen können und als „Freiraum gegen den Stillstand der Kulturpolitik der DDR“ genutzt mit Performances, Künstlern, Filme wurden gedreht und auch die Nacktkultur gepflegt.
So steht es jedenfalls im Stasi-Bericht, der an einem Tisch ein Dutzend nackter Menschen mit Schleifchen gesehen haben will. Die beiden Protagonistinnen lesen heute dieses Protokoll und lachen sich kaputt dabei, halten einiges für Erfindung. Wobei die eine später zu bedenken gibt, dass das schön böse gewesen sei.
Kunstwerke in ihrem Hof zeugen von der erstklassigen Qualität ihrer Bilder und Skulpturen.
Therese Koppe beobachtet die beiden Künstlerinnen bei ihrem Leben auf dem Hof, wie sie hantieren, kochen, duschen, relaxen, ein Frühlingsfeuer anzünden oder den Holzofen aufheizen. Sie lässt sich viel Zeit: Bilder, die ins Bild kommen, kann man auch betrachten, die sind nicht gleich, bevor man sie wahrgenommen hat, im Ferhnsehtempo wieder weg.
Als Zwischenschnitte gibt es Impressionen vom Gehöft, von Zugvögeln, von einem See. Es gibt einen Ausflug zur Vernissage der Ausstellung „Medea muckt auf“ über DDR-Künstlerinnen.
Es gibt auch Filmausschnitte und Fotos von Performances in den achziger Jahren auf dem Hof, dadaistische Avantgarde-Kunst, wie man sie sich nur wünschen kann.
Sie standen unter Stasibeobachtung, Karrierehemmnisse sind dadurch entstanden (letztlich, weil sie vom Sozialismus überzeugt waren und sich an Fehlentwicklungen rieben). Zu sehen ist aber auch, wie die beiden Frauen den Freiraum von Lietzen nutzten.
Nach der Wende meldeten die Vorbesitzer Ansprüche an, was jahrelange Prozesse zur Folge hatte. Eindrücklich sind auch die Berichte von einer Parisreise der einen der beiden Protagonistinnen noch in der DDR-Zeit.
Es ist ein substantielles Künstlerportrait aus dem Film geworden; die oft an Schläfrigkeit und PR-Lastigkeit leidenden ‚Lebenslinien‘ des BR könnten sich bei einem solchen dokumentarischen Zugang und der großen Sorgfalt ein Beispiel nehmen, gerade auch mit dem Sich-Zeitlassen. – In manchen Momenten ertappt man sich bei dem Gedanken, so möchte man auch leben … obwohl, Holz hacken, um den Ofen zu heizen?