Gibt es im Iran überhaupt ein Wort dafür?
Das fragt Protagonist Parvis Joon (der leinwandgeschmeidige Benny Radjaipour) und er meint damit die Liebe und den Sex zwischen Männern, schwul. Die Mutter (Mashid) muss lange nachdenken, bis ihr ein kompliziertes und ihr nicht geläufiges Wort einfällt. Das bezeichnet den schmalem Grat, auf dem dieses Thema überhaupt existieren kann, erst recht, wenn es um die Liebe von zwei iranischen Männern in Deutschland geht. Erschwerend kommt hinzu, dass Parvis hier aufgewachsen ist, sein Coming-Out gehabt hat, sich frei in der Szene bewegt, während Amon (Edin Jalali) im Asylbewerberheim auf eine Entscheidung wartet.
Amon ist äußerlich der volle Hetero, mehr orientalischer Macho geht nicht – umso erstaunlicher, was der Darsteller in manchen Szenen an Zartheit, Differenziertheit und Sensibilität aufscheinen lässt. Als Katalysator zwischen den beiden fungiert Amons Schwester Banaftshe (Banafshe Hourmazdi).
Über den sozialen Hintergrund erfährt man vor allem von Parvis etwas, wie seine Eltern in Deutschland geschuftet haben, um dem Sohn ein schönes Leben zu ermöglichen, was er auf seine Art interpretiert und auskostet. Er wohnt noch unterm Dach zuhause und die Eltern tun sich schwer, seine Welt zu verstehen.
Der Film von Faraz Shariat, der mit Paulina Lorenz auch das Buch geschrieben hat, spielt in Hildesheim und bringt die beiden Männer so zusammen, dass der offenbar kleptomanisch veranlagte Parvis 120 Sozialstunden in einem Asylbewerberheim ableisten muss. Hier lebt Amon.
Amon und seine Kumpels halten den blondierten Jüngling mit den weichen Bewegungen und dem warmherzigen Blick anfänglich für einen Neuzugang und Amon spricht ihn mehr aus Jux gleich an. Wie die Liebe zwischen den beiden sich entwickelt, ist ein sperriger Akt, denn einerseits darf Parvis seine Position als Mitarbeiter nicht ausnutzen, und für Amon, in dessen Welt Schwulität offiziell nicht existiert, ist es ein Ding der schieren Unmöglichkeit.
Shariat erzählt das mit Leichtigkeit und genauer Beobachtung der Hemmungen und dem Widerstand gegen die Begierden, die Zeichen und die Ablehnungen, die Suche nach raren Momenten, auch mit Hilfe von Trance, Tanz und Disco, mit Ausgelassenheit und scheinbarer Unbeschwertheit einer jugendlich lässigen Ménage à trois. Und dann droht da immer noch die Abschiebung.