Drei Tage und ein Leben – Trois Jours et une Vie

Stille Nacht

Am Ende des Filmes wird einem bei schauderndem Rücken die tiefere Bedeutung des christlichen (zumindest kirchlichen) Liedes „Stille Nacht, Heilige“ bewusst, worüber diese Stille sich ausbreitet.

Das Lied wird auch einmal im Film gesungen, in einem Film, der meist um die Weihnachtszeit in den Ardennen in einem kargen Dorf spielt. Die zentrale Begebenheit, die über dem Rest des Filmes lasten wird, findet 1999 statt, zwei weitere Phasen werden 15 Jahre später sein und dann nochmal drei Jahre später. 

Die zentrale Figur Antoine ist im ersten Teild 12 Jahre alt und wird vom grandios pubertätsahnungsvollen oder präpubertären Buben Jeremy Senez gespielt. Vom Doktor Hubert (Philippe Torreton) bekommt er schon mal Bücher zu lesen über die Anatomie des Menschen, auch über die Zeugung des Menschen. Der Doktor ist eine Art Vaterersatz, da Antoins Vater gestorben ist. 

Antoine wächst allein in einem einfachen Steinhaus mit seiner Mutter Blanche (Sandrine Bonnaire) auf. Sie arbeitet bei einem polenstämmigen Fleischer namens Kowalski (Arben Bajraktaraj). Der Bub ist viel sich selber überlassen. Langweilen tut er sich nicht. Er hat im Wald eine Hütte gebaut mit seinem 6 Jahre jüngeren Freund Rémi (Léo Lévy). Dort möchte er seiner älteren, angehimmelten Nachbarstochter Emilie (Pauline Sakellaridis) seine Bücher zeigen und vielleicht mehr über erwachsene Geheimnisse erfahren. Geheimnisse wird Antoine aber bald ganz andere haben, die ihm für den Rest des Lebens den Seelenfrieden nehmen dürften. 

Es folgt eine Reihe von Schicksalsschlägen, die dazu führen, dass sein kleiner Freund Rémi im Wald zu Tode kommt; Antoine ist Zeuge, behält es aber für sich. Da es die Zeit berühmter belgischer Kinderschänder ist, sorgt das Verschwinden des Buben für weites Aufsehen, eine systematische Suche beginnt. 

Aber ein Unglück ist nur so lange von Interesse, als nicht noch ein verheerendes folgt. Das ist hier in den Ardennen ein brutaler Sturm, ein Jahrhundertsturm, der das Interesse am Verschwinden des Buben überdeckt und schließlich einschlafen lässt. 

So kann der Autor des Romans, der auch der Drehbuchautor ist, Pierre Lemaitre, einen Sprung von 15 Jahren machen, bis die Sturmschäden verheilt sind. Die Kinderdarsteller von vorher sind jetzt mit erwachsenen Darstellern besetzt. Antoine ist inzwischen Arzt und wird von Pablo Pauly gespielt. Emily ist auch immer noch da, hat gerade mit ihrem Freund gebrochen und wird jetzt dargestellt von Margot Bancilhon. 

Weihnachten kehrt Antoine ins Dorf zurück. Schneller Sex mit Emilie zeugt ein Kind. Holzfällerarbeiten führen dazu, dass die Geschichte mit Rémi wieder aufflammt in den Köpfen, vor allem in Antoine, der das bislang verschlossen in sich herumgetragen hat. 

Das ist oft das Problem, dass eine Diskrepanz zwischen verschiedenen Darstellern unterschiedlichen Alters einer identischen Rolle besteht, die ich als Bruch emfpinde, auch hier, an den jungen, der wohl ein seltener Glücksfall von Besetzung ist, kommt der erwachsene Schauspieler nicht heran; das dürfte wohl kaum spielbar sein, dieses brutale Geheimnis 15 Jahre fortzuschreiben, auch wenn der Darsteller sich ab und an an Posen des Jungen orientert. Dann fängt aber die Geschichte an, weitere Wendungen zu nehmen, die einem einen beinah vivisektiererisch schmerzhaften Einblick in das Innenleben der Provinz gewähren, der frösteln macht und diesen Bruch schnell vergessen lässt.

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