Der flüssige Spiegel – Vif-Argent

Zwischenwelten.

Akribisch-penibel-skrupulös schön bebildert Stéphane Batut, der mit Christine Dory und Frédéric Videau auch das Drehbuch geschrieben hat, Transzendenz im alleralltäglichsten Alltag in wohlkomponierten Bildern des Übergangs. 

Auf franzöisch heißt der Film „Vif-Argent“, das ist der Begriff für Quecksilber, was auch Mercure heißt, Merkur wiederum ist der Götterbote, der zwischen den Welten, zwischen verschiedenen Bewusstseinswelten hin- und herreisen kann; es sind die hamletschen Zustände von „Sterben, schlafen, vielleicht auch träumen“, um die es hier geht. 

Juste (Thimotée Robart) ist dieser Götterbote, der nicht Merkur, sondern Juste für ‚Gerechter‘ heißt. Er trägt oft eine funkelnd-oszillierende Jacke, so oszillierend wie die Bilderwelt von Batut einer Ästhetik der Transition, des Überganges, besonders schön und deutlich in einem der letzten Bilder, einer beleuchteten Hängebrücke, und dann zieht die Kamera auf auf Stadt dahinter; die Brückenbeleuchtung bildet wie die Umrahmung eines Eingangs in die Unterwelt und hebt sich markant ab vom übrigen Lichterfeld der Stadt. 

Juste holt Leute von dieser Welt ab und bringt sie ins Jenseits. Dabei werden zweimal von den alten Herrschaften Erinnerungen an ihre eigene Jugend evoziert, die der Bilderwelt eine weitere Zeitdimension beifügen; die die Frage aufwerfen, wie weit Bewusstsein und Sein identisch sind. 

Die Hauptbegegnung ist diejenige zwischen Agathe (Judith Chemla) und Juste. Sie glaubt, ihn von ihrgendwoher zu kennen. Er, der ephenbhafte, junge Mann und die etwas ältere, rothaarig-sinnliche Frau; sie umtanzen einander, es kommt zu einer transzendenten Liebesszene, wie sie so noch selten im Kino zu sehen war, die gewiss auch den Spanner im Kinomenschen ansprechen dürfte; wobei auch hier die Hauptlast auf der Fantasiearbeit und nicht auf realer Darstellung beruht: diaphragmatische Realität, eine Überblendungs-Realität, die mehr andeutet als physisch behauptet, so wird die Berührungsfantasie – besonders in Corona-Zeiten – nur umso heftiger. 

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