Wie eine Fotoromanze,
einfach und klar, leicht konsumierbar erzählt Marjane Satrapi nach dem Drehbuch von Jack Thorne die Geschichte von Marie Curie nach dem Comic von Lauren Redniss. Kein Zuschauer soll überfordert sein. Und jeder soll auch kapieren, wie gefährlich die Entdeckung von Marie Curie gewesen sind; das wird mit Vorblenden auf Hieroshima, auf Atomtests 1961 in der Nevada-Wüste oder Tschernobyl 86 unmissverständlich klar gemacht.
Aber auch die heilende Wirkung wird angeführt mit knapp-klar-eindeutigen Bildern von den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges, und wie ohne Curies Entwicklung eines ersten Radiotherapie-Apparates den Soldaten verletzte Gliedmassen einfach abgehauen statt geheilt worden wären. Drastisch.
Drastisch ist allerdings auch die Gefahr für den Menschen, der mit dieser Strahlung arbeitet, sie führt zu einer Dauerhusterei im Film, Leukämie und Anämie sind die Folgen des Kontaktes mit Radioaktivität.
Gegen dieses Drastische setzt Satrapi viel Nebel ein, der die Lichtstimmung milde abdämpft, der die Bemühung der Ausstattung ums Detail schön wirken lässt und gegen das Drastische guckt die Protagonistin Rosamund Pike vor allem besorgt oder sorgenvoll im Bewusstsein der wissenschaftlichen Verantwortung. Wogegen es die strahlenden Liebesszenen gibt.
Als Mensch will die Curie nicht allzu menschlich sein, lässt sich aber nach Bedenken doch auf die Liebe mit dem Wissenschaftler Pierre Curie (Sam Riley) ein; wodurch die Fotoromanze ihre Wissenschaftlerromanze bekommt inklusive zweier hübscher Mädchen, die aus der Beziehung hervorgehen.
Auch die Darstellung von Curies Trauma mit der in einer Klinik sterbenden Mutter, als sie selbst noch klein war, führt dazu, dass diese Curie-Verfilmung deutlich haptischer und nachvollziehbarer gerät als jene von vor etwa vier Jahren mit dem Titel Marie Curie.
Es ist eine ein-eindeutige Welt: hier die heldenhafte Frau, die für die Ideale der Forschung lebt (und daran zugrunde geht), dort die abgestandene Wissenschaftswelt aus bornierten Männern, die ihr Steine in den Weg legen, wo nur möglich, bis sie die alten Herren, wenn auch spät, doch noch von der Richtigkeit ihrer Forschungsresultate überzeugen kann, nachdem sie jahrelang Kohlensack um Kohlensack zerkleinert, zertrümmert und nach aufwändigen chemischen Prozessen ein leuchtendes Stück Radium isoliert hat und es anlächelt mit mehr Mutterliebe als derjenigen zu den eigenen Babys.
Das muss man erst mal bringen, ein an sich langweiliges Forscher- und Wissenschaftlerleben so einprägsam zu verfilmen! Wobei die Vorlage ja eine „Graphic Novel“ ist.
Satrapi geht fast protokollarisch knapp vor, um alle wichtigen Elemente dieses Lebens anzutippen; sie erwartet vom Zuschauer Erwachsenheit und nicht die Bequemlichkeit, in einen Erzählsog hineingesaugt zu werden. In dem Film sind Elemente einer Wissenschaftsgeschichte, einer Nobelpreisgeschichte, einer Liebesgeschichte, einer Forschungsgeschichte, einer Diskriminierungsgeschichte, einer Frauenemanzipationsgeschichte, einer Shitstorm-Geschichte (bei ihrer Liebschaft nach dem Tod ihres Mannes) und auch eine PR-Geschichte, wie verschiedene Produkte versuchten mit Radium Werbung zu machen, nicht zu vergessen eine Tanz- und Esoterikgeschichte, die Séancen bei Loie Fuller (siehe Die Tänzerin).