La Cordillera de los Suenos – Die Kordillere der Träume

Die Diktatur in den Knochen

Patricio Guzmán ist nach dem Militärputsch durch Pinochet aus seiner Heimat Chile geflohen. Losgekommen davon ist er nicht. Er lebt in Frankreich. Und macht immer wieder Filme über Chile, hier war zuletzt zu sehen Der Perlmuttknopf

Ähnlich wie im Perlmuttknopf fängt er mit der chilenischen Natur an und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er bei der Diktatur landet und nach wie vor wie fassungslos darüber reflektiert, zu verstehen versucht; hier hat er sogar einen Gesprächspartner gefunden, einen Literaten, der meint, die Leute von der faschistischen Diktatur seien von ihren neoliberalen Ideen – die sie direkt aus Chicago importierten – wie verzaubert gewesen und die noch leben, seien es heute noch. 

Die Linken seien das Feindbild, das Böse gewesen (so wie der gegenwärtige amerikanische Präsident lauthals darüber schimpft), so schier unbezwingbar wie die Kordilleren, die sich über Tausende von Metern in die Höhe und noch viel weiter in die Länge ausdehnen. 

Mit den Kordilleren fängt Guzmán diesmal an – ruhige Betrachtung der Felsmassive aus der Luft. Guzmán fliegt in Richtung Santiago de Chile, der Hauptstadt. Diese wird so gefilmt, dass sie wie eine endlose Steinwüste aussieht, gar nicht so verschieden von den Anden. Diese nehmen 80 % des Raumes von Chile ein; urbar gemacht sind nur die 20 Prozent an der Küste. Urbar im Sinne des Neoliberalismus, der dem Land derzeit zwar Stabilität verleiht, der aber das System der Pinochet-Diktatur fortschreibt, hier die Reichen, die eigene Autobahnen direkt von ihren privilegierten Wohnvierteln zum Flughafen haben, und auf der anderen Seite die Armen. 

Den größten Schatz des Landes, das Kupfer, ist mehrheitlich in ausländischem Privatbesitz, Geisterzüge rollen nachts zu den Küsten, um das kostbare Wirtschaftsgut außer Landes zu schaffen. 

Den breitesten Raum nimmt der Dokumentarfilmer Pablo ein. Der ist ähnlichen Alters wie Guzmán. Der ist im Land geblieben, wurde irgendwie von der Diktatur verschont. Was es öffentlich zu filmen gab – und immer noch gibt -, das hat er auf Kassette gebannt, da war er immer dabei; er verfügt über ein riesiges Archiv, ein Gedächtnis Chiles. 

Oft werden Wasserwerfer gegen Sprechchöre, die beinah literarische Text ablesen, eingesetzt. Die ganz üblen Sachen, die hinter Gefängnismauern abliefen, die konnte Pablo nicht filmen: Folter, Tötungen, Verschwindenlassen von Menschen. 

Guzmán philosophiert über die Kordilleren, die Anden und setzt sie in Beziehung zu den Menschen; und es bleibt doch alles rätselhaft, autochthon, dieses Chile, es ist, als berge es ein Geheimnis wie die Anden, wie es an einer Stelle heißt, die wie eine Truhe seien. 

Die eigenen Spuren von Guzmán sind teils verwischt, einen Film, den er gemacht hat, ein Wohngebäude, in dem er aufgewachsen ist, das heute eine Ruine ist; leer, aber nicht ganz so ruinenhaft ist das Hochhaus von Pinochets Verwaltung: leer. So verwundert es nicht, dass Guzmán meint, vom Land eine enorme Indifferenz zu verspüren. 

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