Exil

Der bessere Tom Cruise.

Misel Maticevic in der Hauptrolle des Xhafer erinnert in manchen Momenten an den Weltstar Tom Cruise vom Aussehen her, von der Präsenz her. Aber er ist der bessere Schauspieler. Zudem hat er das Glück eines hervorragenden Autors und Regisseurs: Visar Morina, dem als Story Editor Ulrich Köhler (Das freiwillige Jahr, In my Room, Schlafkrankheit) zur Seite stand. Sie haben ein exquisit herausgearbeitetes Beispiel für den alltäglichen Rassimus in Deutschland entwickelt. 

Xhafer ist Albaner aus dem Kosovo und arbeitet als Chemie-Ingenieur in Deutschland, der sich mit multiresistenten Erregern und In-Vitro-Experimenten beschäftigt. Er ist verheiratet mit Nora (der ebenbürtigen, immer großartigen Sandra Hüller), die dabei ist, ihre Doktorarbeit zu Hause zu schreiben. Sie haben zwei Mädels und einen Säugling, wohnen in einem Häuschen in einer Straße mit lauter Einfamilienhäuschen. 

Xhafer wird von seinem Vorgestzten Urs (Rainer Bock als eine bemitleidenswerte Figur) ganz offensichtlich gemobbt, der nimmt ihn aus dem Mailverteiler oder verschlampt In-Vitro-Ergebnisse, die Xhaver dringend für einen Bericht bräuchte. 

Xhafer hat eine Rattenphobie. Das hat er Urs mal erzählt. Und plötzlich hängen tote Ratten an seiner Gartentür. 

Wobei Xhafer selber kein Musterknabe ist. Mit der Putzfrau Hatique (Flonja Kodheli) bumst er kurz auf der Toilette; dafür übersetzt er ihr Texte aus dem oder ins Alabanische. Dummerweise sucht ihr Sohn (Getuart Hajrizaj) in diesem Moment gerade seine Mutter. Gleichzeitig ist Xhafer absolut misstrauisch, wenn zuhause plötzlich die Klobrille oben ist. 

Manchmal hat Xhafer auch Mühe, sich zu beherrschen. Zum dichten Filmerlebnis trägt nicht wenig das Storyboard und die systematische Herangehensweise mit der Kamera bei. Diese bleibt fast immer ruhig im Halbnah, wählt einen erzählenswerten Ausschnitt aus einer Szene, hat vielleicht nur einen Gesprächspartner im Bild. Immer aber sind die Personen in Bezug zu anderen, die können im Bild sein, im Anschnitt oder nur angesprochen. 

Dasselbe gilt für den räumlichen Eindruck. Der Ausschnitt ist immer der Ausgangspunkt für den Raum oder das Arrangement der Nachbarsräume. Insofern ist der Zuschauer gebannt und gefordert. Die Gefahr dabei ist, dass solche Systematik zu eitler Eigendynamik neigt – oder sich vielleicht mit einer Spielfilmlänge von 90 Minuten begnügen sollte. 

Die Geschichte selbst wirkt momentweise etwas zu verzweigt. Es kommt noch ein höherer Chef hinzu. Die Mutter von Nora spielt eine Rolle. Der Arbeitskollege Manfred (Thomas Mraz) bildet den Zweig einer eigenen Geschichte. 

Zur Kinoschrift-Systematik trägt auch das Sound-Design von Benedikt Schiefer bei mit immer wiederkehrenden dumpfen Klängen, wie wenn mit einem Schlaginstrument auf lange Röhren gehauen wird, wodurch eine gewisse Bedrohlichkeit entsteht, die dem Rassismus und dem Mobbing unmissverständlich innewohnt. 

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