Stillstehen

Intelligente Obstruktionsrenitenz

Was will man mit einem Menschen, genauer: einer Menschin, machen, die einfach sich nicht integrieren lässt, die schnell zu einem Weihnachtsmann, der sie im Supermarkt anrempelt, ins Auto steigt, fickt und anschließend das Auto vergnügt und scheinbar grundlos abfackelt. 

Die statt Tschüss oder Danke oder Aufwiedersehen zu sagen, das Auto abfackelt, das ist Julie (Natalia Belitski), die anschließend widerstandslos sich in den „Zoo“, wie der Direktor Herrmann (Martin Wuttke) meint, ins „Ensemble“ einliefern lässt, also in die Psychiatrie. 

Was tun mit einem Menschen, der so sein Unglück ausstellt, nämlich das gestörte Mutterverhältnis, und sich nicht helfen lässt, kein Interesse an einer Besserung hat und die einen Pfleger nach dem anderen verschleißt, weil sie hochintelligent ist und die Überlegungen der Pfleger und Therapeuten kennt, durchschaut und entsprechend aushebelt? 

Julies Therapeutin Agnes (Luisa-Céline Gaffron) ist da anders, sie hat mehr Geduld, mehr Interesse. Selbst ist sie zwar auch eine miserable Mutter. Ihr eigenes Kind spricht nicht mit ihr, mit allen anderen Menschen schon. Das ist im Film von Elisa Mishto eine kleine Nebenhandlung. 

Der Hauptstrang ist das Thema der Systemsprengerin Julie. Sie verjubelt ihr Erbe. Da ist ein schönes Haus dabei. Wenn sie ein Haus anzündet, dann soll ihr Vermögensberater Herr Schmidt (Matthias Bundschuh) das regeln. Julie zeigt sich in Gelddingen ahnungslos. 

Julies Tick sind die gelben Gummihandschuhe. Diese setzt sie ganz bewusst ein, um sich die Freiheit des Ticks zu sichern, denn wenn die Leute glauben, das sei ein Tick, dann lassen sie sie in Ruhe. 

Elisa Mishto inszeniert ihr Thema mit unbändiger Kinolust. Jedes Bild ist eine Wonne. Die Musik antörnend. Und die Schauspieler bringt sie dazu, so zu spielen, dass man nicht mehr auf die Idee kommt, sie könnten auch anders. Das fällt überaus positiv auf bei Jürgen Vogel. Der spielt eine Charge, einen Reinigungsunternehmer, bei dem Julie sich bewerben soll, da sie ja kein Geld mehr hat. Endlich mal ein Vogel ohne diese anbiedernde Bauchschauspielerei, die die meisten Regisseure ihn machen lassen: und also ordentlich interessant! 

Wobei Julie auch ihn bewusst austrickst und sich als nicht anstellbar gibt, um anschließend zu Agnes zu äußern, das habe doch Spaß gemacht. 

Allerdings kommt das Buch, das auch Elisa Mishto geschrieben hat, im Laufe des Filmes ins Schlingern. Vor der letzten Konsequenz der intelligenten Obstruktion schreckt die Filmemacherin zurück und biegt den Stoff auf Rundung. Gekünstelt wirkt das anhand der eingestreuten Theorie- oder Grundlagenschnipsel, die von der Ameise, dem Stillstand, dem Vater, der zuviel Bewegung und dem Herzinfarkt ausgehen, wie Julie dank dem dicken Rainer (Giuseppe Battiston), der nicht reden könne, doch plötzlich die Befreiung aus dem selbstgebastelten Gefängnis wagt und zur korrigierten Moral findet. 

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