Une Famme, ma Mére (DOK.fest München 2020)

Erfindung einer Mutter 

oder Annäherung an eine Unnahbar-Unbekannte. 

Schicksal des Säuglings, der von der Mutter gleich nach Geburt zur Adoption freigegeben wird. Und den das Leben lang dieses Gefühl des Verstoßenseins, des Nicht-Willkommenseins quält. 

Das erzählt der Kanadier Paul-Claude Demers in seiner schön schwarz-weiß essayistischen Bildmontage. 

Demers muss seine Mutter, da sie ihre Spuren sorgfältig verwischt und absolut nichts von dem Kind wissen will, erfinden. Er versucht, sie sich vorzustellen. Es ist Nachkriegszeit. Er geht daon aus, dass sie in Burlington in den USA als Au-Pair gearbeitet hat, um Englisch zu lernen, da sie aus dem französischsprachigen Teil Kanadas stammt, wie er offenbar auch, denn er ist der Ich-Erzähler, der seine Vermutungen und Erfahrungen der Suche nach seiner Mutter voiceover auf Französisch spricht. 

Wie an Bilder einer Unbekannten kommen? Da hat Demers eine spannende Lösung gefunden. Er hat im Archiv des National Board of Canada’s Film Collection gewühlt, ausgiebig gewühlt. Dort hat er Ausschnitte herausgepickt, die das zeitgenössische Leben in Kanada, auch in Spielfilmen, schildern. Damit öffnet er raffinierterweise die Geschichte von der reinen Privatheit auf die Geschichte kanadischen Filmemachens, was er zu einer faszinierend essayistischen Montage der vorgeblichen Biographie seiner Mutter zusammenfügt, wobei er nachträglich gedrehte Spielszenen mit Darstellerinen allen Alters seiner Mutter noch eingefügt hat. 

Gleichzeitig transportiert er den Schmerz eines vom ersten Tag an dermaßen verlassenen Menschen. Den Film widmet er der Enkelin seiner Mutter, seiner Tochter Alma.

Demers entwirft mit diesem fiktiven Portrait auch das synthetisch, prototypische Bild einer kanadischen Nachkriegsfrau und erfüllt so seinen Titel von „Einer Frau“ als auch von “Meine Mutter.“

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