Deerskin

Achten Sie im Kino auf Ihre Jacke!

Dieser Film von Quentin Dupieux, der schon mit seinem letzten Movie Die Wache sich erfolgreich der Kategorie „Höheres Nonsense-Kino“ näherte, handelt von einem Jackenfetischisten. 

Georges (Jean Dujardin) hat alles hinter sich gelassen oder wurde von seiner Frau rausgeschmissen, kurvt mit einem nicht leicht identifizierbaren Auto, mit nicht eineindeutiger Identifizierbarkeit, durch die französischen Alpen, ergattert bei einem Almöhi eine Wildwest-Wildleder-Jacke mit Fransen, wofür er sein gesamtes Vermögen, ob Euro, ob Francs ist doch egal, hinblättert. 

Schon in dieser Anfangssequenz, der noch eine weitere Anfangssequenz vorangestellt ist mit einer Szene, die aus einem Casting-Video stammen könnte, indem mehrere Menschen nur ihre Jacke abgeben sollen, sie in den Kofferraum eines Autos werfen und dabei sagen, sie würden nie wieder eine Jacke tragen, geht auf einem realistischen und einem surrealistischen Fuß. 

Beim Versuch, diesen Film zu erinnern, überborden die Gedanken und Erinnerungen und somit geht der Eindruck fast schon verloren, dass einem auffiel, mit welcher Langsamkeit Dupieux in seiner Filmerzählung vorgeht, und wie er damit umso mehr in seinen erfrischend kurzen Film von 77 Minuten packt. Weil er einem nichts vorenthält, weil die filmischen Behauptungen klar gesetzt sind. 

Das wiederum erinnert an den Satz, dass ein guter Schauspieler auch das Telefonbuch vorlesen könne, und man gebannt zuhöre. So in etwa verhält es sich mit dem Filmemacher Dupieux, der vom Assoziationsfeld des belgischen Surrealismus her mehr Belgier denn Franzose sein müsste, er erzählt den größten Nonsense, diesen jedoch todernst und als ganz wichtig, und man schaut gebannt zu, ja verlässt das Kino sogar in einer Art Faschingslaune, wenn gerade Faschingsdienstag ist und ist doch froh, dass man instinktiv einen Mantel und keine Jacke angezogen hat. 

Der Almöhi schenkt, verdutzt über den Geldsegen, Georges zur Wildlederjacke, die im Kino ein Wildwest-Requisit par excellence abgibt, noch eine Digitalkamera dazu. Damit ist die dritte, sine-qua-non-Bedingung, um ein Filmemacher zu sein, erfüllt nach der bereits eingeführten menschlichen Kaputtheit und der wirtschaftlich desolaten Lage. 

Damit fängt die Macht des Kinos über die Menschen an. Denise (Adèle Haenel), die in der Kneipe bedient, macht er gleich, noch bevor es einen Film oder eine Produktion gibt, zur Schnittmeisterin; ihr Zögern (weil sie ihre Jacke ausziehen müsse) ist nur kurz, bevor sie einwilligt und auch Geld schießt sie in die Produktion; womit die absurde – für den Zuschauer vergnügliche – Eigendynamik von Filmproduktion und Kino sich in Gang setzt, mit höherem Blödsinn, der in einer intimen Beziehung zum möglichen tieferen Tiefsinn des Kinos steht. 

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