Zu weit weg

Kino

soll das sein? Wollen wir im Kino wirklich beim Umzug einer Familie Sätze hören wie „Bist du schon fertig?“ oder „Braucht das noch jemand“ und ähnliche situationsbedingte Standardsätze, die beim Packen anfallen? 

Oder beim Einzug ins neue Haus: „Muss das echt sein?“, „Hier, die steht zuunterst“ oder „Dann steh‘ halt früh auf“. Wollen wir im Kino echt solche banalen Alltagssätze hören, die weiter keine Funktion haben, außer zu illustrieren, dass jemand auszieht oder jemand einzieht, Sätze, die weder Personen charakterisieren noch Handlungen in Gang setzen, wollen wir im Kino solche beliebig hingeschriebenen und auch ohne weitere Intention beliebig gesprochenen Sätze hören, von Figuren, die dadurch beliebig wirken?

Wollen wir im Kino das beliebig Alltägliche, beliebig Austauschbare, was dem Film genau jenen Untertext nimmt: he, ich habe euch eine ganz besondere Geschichte zu erzählen!, wollen wir im Kino die nichtbesondere Geschichte sehen? Wollen wir dafür 6, 7, 8 9 oder mehr Euro Eintritt bezahlen? 

Genau mit solchen Sätzen oder später noch: „Das trifft sich gut, Du kannst dich gleich zu deinem Freund setzen“ verweist Autorin Suasanne Finken den Film in der Regie von Sarah Winkenstette in einen Bereich weit weg vom Kino, es heißt dann immer, wohlwollend, als ob das Kind behindert sei, es sei halt Fernsehen. 

Dabei langen die Macherinnen thematisch richtig zu. Sie wollen das Bergbauthema beleuchten, das Ausländerthema und dazu noch das nahende Coming-of-Age ihres Protagonisten Ben (Yoran Leicher). 

Mit der Besetzung des Jungen haben sie einen guten Griff getan und auch gut mit ihm gearbeitet: er strahlt ein uneitles Fürsichsein aus, hat den nötigen Ernst, den die Probleme, mit denen er konfrontiert wird, von ihm fordern. 

Die Geschichte ist die, dass seine Familie, da sind noch Vater, Mutter und ältere Schwester, er selbst ist anfangs des Films 11, am Ende 12, aus dem angestammten Dorf ausziehen muss, weil dieses dem Kohlebergbau weicht. 

Die Familie zieht in eine neues Haus im nahe gelegenen Düren. Für Ben, der begeisterter und begabter Stürmer beim Jugendfußball ist, ist damit auch die Chance verbunden, in die B-Jugend zu kommen. 

Recht ungehobelt wirken die Szenen, wie Ben in der neuen Klasse oder beim neuen Fußballtrainer vorgestellt wird, wie denn sowohl Drehbuch, Regie als auch Besetzung nicht allzuviel Interesse an den erwachsenen Figuren zeigen. 

Neu kommt der syrische Flüchtlingsjunge Tariq (Sobhi Awad) in die Klasse und klar, die beiden Außenseiter werden Freunde, auch wenn das erzählerisch arg holpert; die gute Absicht dahinter versteht ein jeder. 

Das ist vielleicht das Hervorstechende an diesem Kino, dass die gute Absicht viel deutlicher wird, als deren kinematographische Umsetzung.

Besonders störend wirkt die Musik, die immer, wenn wieder etwas gesagt wird, mit diesem antreibenden Überelan einsteigt; das wird schnell nervig, weil es den Eindruck erweckt, hier sollte fehlende inszenatorische und erzählerische Spannung kompensiert werden, darüber, dass der Film so keinerlei Überraschungen zeigt. 

Am Schluss müssen sie alle happy sein, „irgendwie“, weil ja keine Konflikte ernsthaft eingeführt und dramaturgisch auseinandergenommen und als Energie für die Erzeugung von Spannung genutzt werden: aber das können solche Sätze nicht leisten:

„Lass uns alle essen gehen zur Feier des Tages“, „Wir haben leider keinen Alkohol“ (Achtung: Muslime!), „Was machst du denn noch hier“, „Super, also bis nächste Woche, weiter so!“, „Oh, kuschelig hier“. „Schaut mal, was ich gekauft habe“, „Wenn was ist, Ihr habt meine Telefonnummer“. – nö, darauf kann ich gut und gerne verzichten. 

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