Plastische Chirurgie für die Kunstgeschichte?
Dieser essayistische Film von Halina Dyrschka über die schwedische Malerin Hilma af Klint ist selbst, wie viele ihrer Bilder, wie eine Meditation über das Sein, Endlichkeit und Weltall, Verkringelungen und Zusammenfügungen, über die Beschreibung der Welt nach ihren zeitgenössischen Forschern, die Quantenmechanik, Elektronen, Atome, Radioaktivität entdeckten, also Entdeckung des Unsichtbaren, spiegelt die Stille, die sie fordert, damit der Mensch weiterkommen kann, sich und seine Kunst weiterentwickeln kann, und das, obwohl sogar ein kunsthistorischer Streit vorkommt, denn es geht über die Bedeutung der Malerin, um ihre Einordnung in die Kunstgeschichte; was dadurch, dass ihre Bilder nicht auf dem Markt sind und also keinen Marktwert haben, zum Ding der Unmöglichkeit wird.
Sie selbst machte es allerdings den Kunsthistorikern nicht leicht. Sie habe zeitlebens nie ausgestellt, schon gar nicht ihre abstrakten Werke. Sie ist nie auf dem Kunstmarkt erschienen. Ihre Werke durften überhaupt erst 20 Jahre nach ihrem Tod (das war 1944, auch das Todesjahr von Piet Mondrian und Kandinsky) ausgestellt werden.
Wie also umgehen mit einer Frau (auch das noch in einer weitgehend von Männern dominierten Kunstwelt), die Jahre vor Andy Warhol, Paul Klee oder Piet Mondrian Bilder gemalt hat, die fast deckungsgleich sind?
Wie also umgehen mit einer Frau, die ihre künstlerische Entwicklung nicht mit dem Blauen Reiter, nicht im Austausch mit anderen künstlerischen Gruppierungen vorangetrieben hat, die sich lieber mit Theosophie und mit Rudolf Steiner beschäftigt hat (von ihm wollte sie, dass er für ihre großformatigen Bilder einen Tempel baue)?
Das mit der Umschreibung der Kunstgeschichte, also dass Klint und nicht Kandinsky das erste abstrakte Bild gemalt habe, das mag ein Thema für die Fachleute sein, egal, der Film weckt mit seinem Einblick in das Werk von Hilma af Klint den Wunsch, diesen Bildern, die so frisch und unverbraucht wirken, erst recht im Kino, in natura in einer Ausstellung zu begegnen und mit ihnen zu kommunizieren. Nicht zu vergessen: die exzellenten, frühen Porträtzeichnungen oder auch die Akt- und technischen Zeichnungen; Klint war eine exzellente Beobachterin.