800 Mal einsam – Ein Tag mit dem Filmemacher Edgar Reitz

Mit der filmischen Neugier, Verspieltheit und Experimentierfreudigkeit von Nouvelle Vague oder Beat Generation windet Anna Hepp dem großen, deutschen Filmemacher Edgar Reitz ein hübsches filmessayistisches Kränzchen. 

Mit einem Team von drei Kamerleuten (einer dokumentiert das Dokumentieren) und einer Tonfrau rückt Anna Hepp dem Filmemacher einen Tag lang auf die Pelle. 

Drehorte sind ein 800-Platz-Kino, ein umgebautes ehemaliges Theater, ein Stück freier, romantischer Natur, Foyer und Treppenhäuser des Kinos und eine Pizzeria. 

Die Filmemacherin ist meist selber mit im Bild, studiert den Kopf von Reitz, stellt ihm Fragen. Anfangs kommt sie sich noch voreingenommen vor. Aber im Laufe des Tages verzaubert der ehemalige Macher des sogenannten „Neuen deutschen Filmes“ und Unterzeichner des Oberhausener Manifestes die Dokumentaristin – und das Publikum.

Damals gab es noch die Hoffnung, dem deutschen Kino zu internationaler Bedeutung zu verhelfen. Viel ist daraus von heute aus besehen nicht geblieben. Reitz kommt auf einen der Gründe zu sprechen beim Thema seines Filmes „Heimat 3“, der ausdrücklich auf Wunsch der Fernsehredaktion so heißen sollte, was aber auch klar macht, dass diese den Sinn der Titel der ersten beiden Filme nicht verstanden hat, mit denen Reitz national wie international Furore gemacht hat. 

Der erste Film hieß „Heimat“. Reitz schrieb ihn im Moment seiner größten Krise, nachdem sein „Schneider von Ulm“ nach einem Verriss im Spiegel grandios gefloppt ist und zudem seine erste Ehe scheiterte, er überschuldet war und kein Dach über dem Kopf hatte. 

Der erste Film meinte die Heimat, die der Mensch durch Herkunft und Geburt hat, mit dem Titel „2. Heimat“ meinte Reitz die Wahlverwandtschaften, die Beziehungen, die sich der Mensch als Erwachsener knüpft. 

Reitz macht deutlich, dass es den Fernsehredakteuren nicht anteht, sich auf ein hohes Ross zu setzen (an seiner 3. Heimat hat er 7 Jahre geschrieben und elf Drehbuchfassungen dem Fernsehen vorlegen müssen); diese Herren seien weisungsgebunden und dem Fernsehzuschauer verpflichtet; ihnen gegenüber habe keiner dankbar zu sein, im Gegenteil, sie sollten dem Publikum zu Dank verpflichtet sein. 

Der Oberhausener Opa erzählt aus seinem Leben, von seiner Weltsicht, vom Verhältnis von Realität und Kunst und die künstlerische Enkelin schaut ihn aus großen staunenden Augen an. Und wir mit ihr. 

Mit dem Hinweis auf die Weisungsgebundenheit von Fernsehredakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes macht Reitz auf ein Grundübel des deutschen Kinos, und dass es so gar nicht gedeihen kann, aufmerksam, dass es unter Weisungsgebundenheit leidet dadurch, dass hierzulande kaum ein Kinofilm ohne Fernsehen produziert werden kann und somit das Fernsehen in praktisch jedem Kinofilm mitredet, weisungsgebend mitredet. Das macht aus dem Kino ein Funktionärskino, ein Subventionskino mit Subventionsstars, wie stefe das gerne nennt. Gegen solche Weisungsgebundenheit gibt es kein Heilmittel. 

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