Cunningham

Von der Muse geküsst,

das ist Merce Cunningham, der sich selbst am liebsten Tänzer nennt, der lieber Lehrer (als „artist-brother“ und nicht als Besserwisser) als Schüler, Forscher statt Dogmatiker, Choreograph und Company-Chef war und berühmt, wie kaum ein Tänzer sein kann; neugierig, diszipliniert im Sinne absoluter Hingabe an den Tanz, an die Kunst. 

Was ist Kunst? Warum schaut man bei Choreographien von Cunningham (erst recht wenn das pointillistische Bühnenbild von John Rauschenberg kommt oder die Silberkissen von Andy Warhol) zu, ist gebannt und muss den urteilenden Verstand abstellen? Das dürfte ein Geheimnis bleiben. 

Cunningham gibt Hinweise, dass er für die Kunst da sei und nicht fürs Geld, Gelderwerb dürfte ihm ein unbekanntes Wort sein. Das kann negative Folgen für die Finanzen seiner Stiftung haben. 

John Cage hat Musik für ihn geschrieben. Da haben sich zwei künstlerische Genies getroffen. Was macht es aus? 

Alla Kovgan präsentiert Archivmaterial (Fotos, Interviews, Proben – und Tanzaufnahmen, Zeitungstitel und Notizen) und heute nachgetanzte Szenen in der Natur oder im Innenhof einer Schlossanlage, auf Holzboden im Monokulturwald, in abstraken Bühnenräumen, im Tunnel auf Hausdächern selbst wie ein exquisite Kunstausstellung, mal ist die Leinwand gesplittet, mal wird der gesprochene Text von Hand nachgeschrieben wie im Erinnerungsalbum. 

Der Film berauscht so selbst mit künstlerischem Flair und dürfte alle Anforderungen an einen anspruchsvollen Matinéefilm erfüllen. Denn ein Künstler wie Cuningham ist ein reflektierter Mensch, weiß wieso er was macht, wieso er was sucht, wieso er mit seiner Truppe in einem kleinen VW-Bus auf Amerikatournee geht, später auf Welttournee und erleben muss, dass seine oft futuristisch-avantgardistisch anmutende Kunst mit Eier- und Tomatenwürfen quittiert wird. 

Solche Naturprodukte haben kurze Verfallszeiten. Bald folgt der Jubel. Dann die Trennung von Rauschenberg, der für ihn eines der faszinierendsten Bühnenbilder samt Kostümen entwickelt hat: einen rein pointillistischen Raum. 

Was ist Kunst? Der Verzicht auf jegliche Rationalität und auf Zweckmäßigkeit, das Austesten von Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers („any possible movement“), das Probieren und experimentieren, sicher auch die Suche nach Schönheit, obwohl er das nicht explizit sagt. Überhaupt meint er, er habe nichts zu sagen, Poesie vielleicht, wie er sie brauche, „bewildering, complex, illogical“.

There ist no such thing but dance

I have nothing to say and I am saying it 

and that is poetry as I need it.

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