„Yukio Mishima war der berühmteste Schriftsteller Japans. Er hinterließ 35 Romane, 25 Theaterstücke, 200 Kurzgeschichten und acht Essay-Bände. Sein Leben stand ebenso wie sein Werk im Fokus der Öffentlichkeit. Am 25. November 1970 drang Mishima mit vier Kadetten seiner Privatarmee ins Hauptquartier Ost der Armee ein, setzte den Kommandanten fest und wandte sich an die Soldaten.“
Das ist der Prolog-Text des Filmes von 1985 von Paul Schrader, der mit Leonard Schrader auch das Drehbuch geschrieben hat. Jetzt, 34 Jahre später, kommt ein restaurierter Director’s Cut dieses Meisterwerkes ins Kino.
Mit der Klarheit und Eleganz, die ihm eigen ist, schildert Schrader Leben und Werk des berühmten Autors Mishima in vier Kapiteln, die sich an Titeln des Werkes des Autors orientieren, und in ineinandergeschnittenen Erzählsträngen.
Die Rahmenhandlung, in Farbe gedreht, schildert diesen 25. November 1970 im Leben von Mishima. Der Dichter liegt noch im Bett, wünscht kein Frühstück, erkundigt sich per Telefon nach den Kindern. Dann nimmt er seine Uniform aus dem Schrank. Wie Schrader allein das, auch mit einer exorbitanten Detailliebe schildert, erklärt, wie sehr Mishima die Uniform und damit das Militärische liebt, was für ihn unabdingbar mit der Verehrung des Kaisers verbunden ist.
Der Grund für die Fahrt mit vier Soldaten seiner Privatarmee zum Hauptquartier Ost der Armee fährt, ist der, dass er mit der gesellschaftlichen Entwicklung in Japan nicht zufrieden ist, in der immer mehr die Konzerne, somit das Geld und nicht der Kaiser etwas zu sagen haben. Die Aktion soll den Respekt für den Kaiser wiederherstellen.
Wie es zu dieser Haltung kommt, das ergibt sich aus der Biographie, die Schrader in Schwarz-Weiß als Biopic und in Farbe mit Ausschnitten aus Mishimas Werken in Theateraufführungen oder Filmausschnitten erzählt. Seine Minderwertigkeitsgefühle, was Männlichkeit betrifft, seine Kriegsbegeisterung, wie er hofft, dass bald Bomben fallen. Wie er bei einer herrrischen Oma aufwächst, die ihn der Mutter entzogen hat, der Oma die Beine massieren muss und die schlimmsten Drohungen zu hören bekommt, wenn er zur Mutter will.
Nachgespielte Ausschnitte aus Mishimas Biographie werden in Schwarz-Weiß eingespielt.
Wie ihn ein Bild des Heiligen Sebastian mit den Pfeilen in der nackten Brust elektrisiert. Wie er generell darunter leidet, dass Sprache und Realität so auseinanderklaffen, dass die Menschenwelt so voller Widersprüche ist, auch der Widerspruch der Geschlechter; wie er sich sehnt nach Harmonie, wie vielleicht nur der Tod sie bringen kann, die aber doch auch anders erreicht werden können sollte. Wie er sich durch diese Erkenntnis, dieses Fühlen als Ausgestoßener empfindet.
Trotzdem – oder vielleicht deswegen – schreibt er regelmäßig und immer fällt ihm noch ein Satz ein und noch einer. Aber all das Schreiben, das war vielleicht seine Grundverzweiflung, konnte den Widerspruch zwischen Worten und der Realität nicht überbrücken, offenbar auf Dauer nicht mal erträglich machen. Und was, wenn dem Dichter keiner mehr zuhört, wie in der finalen Szene drastisch deutlich wird?