Le Mans 66: Gegen jede Chance – Ford v Ferrari

Mädchen!

Wodurch zeichnet sich ein richtiger Mann, ein heldischer Mann aus? Beispielsweise, wenn er in einem Rennauto sitzt, das Gaspedal voll durchdrückt und sein Auto liebevoll „Mädchen“ nennt. Ein Kraftakt wie ein Geschlechtsverkehr. Bei diesem kann er Vater, bei jenem Sieger werden.

James Mangold erzählt die Geschichte, die Jez und John-Henry Butterworth und Jason Keller geschrieben haben, so, dass er das Zielpublikum, das Männer sein dürften, die Schmeicheleinheiten brauchen, früh auf seine Seite zieht, also auf die Seite seiner Protagonisten, indem er dem Publikum Dinge anvertraut, die im Rennzirkus nicht jedermann weiß, womit er den Zuschauer gewieft einweiht, ihn zur Partei macht.

Die Protagonsiten machen das mit prima Schauspielerei dem Zuschauer auch leicht, es sind dies Matt Damon als genialer Autokonstrukteur und ehemaliger Rennfahrer Carroll Shelby und dessen Partner bei der Konstruktion eines Rennwagens für Ford (der Film spielt in den 60ern, Ford ist in der Krise und will mit einem Rennwagen sein Image aufpolieren), Ken Miles, teils fast ulkig, aber vor allem eigenwillig und ganz klar nicht anpasserisch dargestellt von Christian Bale.

Das Ziel ist es, mit dem neuen Wagen das 24 Stunden-Rennen von Le Mans zu gewinnen und Ferrari eins auszuwischen. Bis es so weit ist, gibt es jede Menge Einblicke, Schläge, Gegenschläge, Strategien, Kontroversen zwischen Marketing, Rennwagenbauern und Rennfahrern, Übernahmeversuchen von Ferrari durch Ford, es gibt linke Spiele, es gibt Funktionärsarroganz wie sie im Büchlein steht.

Wenn all die Unbill, die unsere Protagonisten immer wieder an den Rand des Aufgebens treibt, überstanden ist, dann endlich kommt das ersehnte Rennen, das ausführlich und mit allen Mitteln der Hollywood-Filmindustrie kundengerecht spannend geschildert wird; auch historisch attraktiv, wie die Fahrer beim Start erst über die Straße zu ihren Boliden rennen müssen, einsteigen, Tür zu, Gas geben; und mit welchen Mitteln so eine Tür mitten im Rennen wieder geschlossen werden kann– oder wie die Fahrer noch während des Rennens sich Blicke zuwerfen.

Der Zuschauer, der Partei gewoden ist, darf sich beim Verlassen des Kinos als Sieger fühlen. Aber er überlegt sich vielleicht auch, dass er jetzt Zeuge einer historischen Angelegenheit geworden ist; in Zeiten des sich beschleunigenden Klimawandels, des Verlustes der Attraktivität des Autos, sind solche Kraftprotzautokonstruktionen nicht mehr jedes Mannes Mädchen; es gibt inzwischen waghalsigeren Zugang zur Natur, wie er punktuell im Film Aus Liebe zum Überleben von Bertram Verhaag, die Erforschung der Raffinesse der Natur zu erkennen ist, einen viel abenteuerlicheren Zugang zur Natur; als bloß Gaspedalrittertum: die Natur statt Verbrennungsmotoren für sich arbeiten zu lassen.

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