Bis dann, mein Sohn

Familie

ist das ganze Leben, Familie ist das A und das O, das ist in Hollywood so, das ist im parteidiktatorisch beherrschten China nicht anders. Nur dass es in Amerika auch Filme über die Pressefreiheit und politische Korruption gibt.

Familie ist ja auch das Private, wo das Politische gedeihen soll, aber dem ist nicht so in diesem Film von Xiaoshuai Wang, der mit Mei Ah auch das Drehbuch geschrieben hat. Es geht um die Dauer von Familiengeschichten, um die Perennierung, hier im Film gehen dafür drei Stunden über die Leinwand ohne Schwere, ohne Langeweile, wie das „echte“ Leben, dem man hier in fast dokumentarischer Manier zuschauen kann.

Dazu trägt die Erzählweise bei, die sich konzentrisch um ein Ereignis im Leben von zwei benachbarten Familien dreht, um einen verhängnisvollen Unfall an einem Stausee, bei dem der Bub der einen Familie ertrinkt. Das war Mitte der 80er im letzten Jahrhundert – da gab es auch das Tian‘ anmen-Massacker, welches im Film nicht vorkommt.

Die Erzählung geht bis in die Zehnerjahre des neuen Jahrtausends. Der Unfalltod des Knaben bringt die betroffene Familie dazu, zurück in die Provinz zu ziehen. Der Kontakt zur anderen Familie bricht für lange ab.

Zu den erzählenswerten Ereignisse, die immer auch ein Stück der modernen, rasanten chinesischen Geschichte dokumentieren, gehört eine Ehrung für Familienplanung (schmerzhaft: wegen Schwangerschaftsabbruch für die Einkindpolitik!), Adoption eines Kindes anstelle des ertrunkenen Buben, Seitensprung, Schuldgefühle wegen dem Badeunfall, aber auch drohende Betriebsschließung, Gefängnis wegen Diebstahls und immer wieder wird, was in asiatischen Filmen fast unumgänglich ist, gekocht und gegessen, gekocht und gegessen, aber auch: Alltag in einer Sortieranlage einer Fabrik, Fischernetzflickerei, Werkstätte, dazwischen Chinabilder von Natur und Hochhäusern, und dann wieder Krankheit, Tumor, Klinik, Beerdigung, Grabbesuch (das kann einzigartig poetisch sein), Kneipe; das private Glück und Unglück im Mittelpunkt und die Frage „Ist es nicht lustig, dass wir immer noch Angst haben, zu sterben?“.

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