Im Niemandsland

Liebe in komplizierter Gemengelage

oder ein kurzer Sommer der Anarchie.

Der Sommer nach dem Mauerfall in der kleinen Gemeinde Kleinmachnow, an der Mauer gelegen. Die ist gefallen. Dort wo sie war, ist das titelgebende Niemandsland, das einen Hauch von Westernoptik ausstrahlt. Das ist der Ort, wo die alles verbindende Liebe zusammentrifft.

Vorher geht’s – filmisch gesehen – hackelig zu und her. Was jedoch auch heißt: hier gibt es Entwicklungsaussichten, hier ist noch Entwicklungsraum für den angriffigen Regisseur Florian Aigner, der zu verstehen gibt, dass er ein Regisseur mit Perspektiven und mit einem Faible für das Dramatische und die dramatischen Zuspitzungen ist (inklusive Einspieler aus den Nachrichten und dem Bundestag). Womit schon dialogisch viel gewonnen ist und dieses typisch deutsch-subventionierte, am Computer ausgedachte Studienratsdeutsch mit den Relativsätzen publikumsfreundlicherweise nicht vorkommt.

Die Zutaten für seine Story, für seine Geschichte, für sein Konstrukt sind brisant und vielseitig. Der geschichtliche Hintergrund ist der Fall der Mauer und die Zeit bis zur Währungsunion. Auf der politischen Ebene sind das Archivzitate, wie glücklich das Land sei über die Einheit, das glücklichste Land, was sich 30 Jahre später zu Zeiten boomender AfD doch merkwürdig ausnimmt.

Als Dramatis Personae hat sich Aigner zwei Familien ausgedacht, die besonders von diesen politischen Veränderungen betroffen sind.

Da ist die Familie von Alexander Behrends (Andreas Döhler), seiner Frau Heidi (Lisa Hagmeister) und der Tochter Katja (Emilie Neumeister) als Protagonistin, es gibt noch den kleineren Bruder. Sie wohnen im Westen. Vater Alexander will sein ehemaliges, enteignetes Haus aus der DDR zurück. Individualanarchistisch hat er davor einen Wohnwagen mit Forderungstexten geparkt. Von da aus beobachtet er die aktuellen Bewohner, beschimpft sie als Stasi.

Und das ist die Familie von Erwing (Uwe Preuss) mit seiner Frau Beatrice (Judith Engel) und dem anderen Protagonisten des Filmes, Sohn Thorben (Ludwig Simon). Die Liebe schießt gegen die politischen und privaten Verhältnisse. Das löst die Konflikte aus, die gerne in Handgreiflichkeiten übergehen.

Die prima gecasteten Schauspieler blühen im Laufe des Filmes auf. Aigner scheint Spaß zu haben an sich hochschaukelnden Konflikten, die sich immer wieder drehen durch die Vielzahl der Beteiligten und die sich ständig ändernde politische Situation und die unterschiedlichen Denkweisen der Akteure, immer unter Berücksichtigung des Materiellen.

Dagegen die Liebe, die ständig wieder in Frage gestellt wird, die Pauschalisierungen, kann denn die Tochter des Rückforderers den Sohn des als unrechtmäßig angesehenen Hausbesitzers lieben? Die familiären Hintergründe waren schon bei Romeo und Julia ein Problem. Hier im Film von Florian Aigner gibt’s zum Glück statt einer Gruft den Streifen Niemandsland.

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