Fünf Dinge, die ich nicht verstehe

Erste Testosteron-Schübe

oder Coming-of-Age in Ennepetal.

Johannes (Jerome Hirthammer), Bauernsohn, 18, lebt mit einem älteren Bruder Carsten (Henning Flüsloh), dem spröden Vater (Peter Lohmeyer) und der Oma auf dem väterlichen Hof. Die Mutter hat die Familie verlassen.

Johannes ist der Ich-Erzähler, das bedeutet filmimmanent, er ist der mit einem Bewusstsein, das sich Gedanken macht, das versucht. sich zu verorten in seiner Umgebung, in der er so gar nicht passt, der sich mit seiner eigenen Identität beschäftigt, der sich mit seiner Umgebung nicht identifizieren kann; der Sehnsüchte hat, die ahnungsvoll in Bezug zur gleichaltrigen Buddelkastenreundin Mareike ein Ziel finden. Er ist noch in einer Präsex-Phase (während im üblichen deutschen Coming-of-Age-Film die Jungs in diesem Alter zumindest heftig masturbieren oder bereits cool rumficken).

Johannes findet sich nirgends. Hat aber Testosteron-Schübe. Von seinem Vater erhält er das Gewehr des Opas. Er macht den Jagdschein. Und wie er bei einer Jagd nicht zugelassen ist, erschießt er die Katz. Oder er boxt gegen einen Erdhügel.

Die wenige Jugend in der Gegend hängt herum an ihren Plätzen, dem Staudamm, nächtens, schleichen sie sich in die Unterkunft, in der Flüchtlinge wohnen. Johannes hängt auch mit denen ab und an ab.

Johannes ist kein Kind mehr und ist noch weniger wie einer der Männer, wie sie die Gegend hervorbringt. Das zeigt ein Bild in der Sauna. Dieser Jüngling in Unterhose und mit dem Badetuch darüber, während die aus der Form gegangenen alten Männer sich nackt auf ihr Badetuch setzen. Ähnlich schaut es bei der Jagdgesellschaft aus.

Es sind Bilder großer Verlorenheit, selbst wenn Johannes sich mit Mareike trifft; er ist auch ungeschickt, wenn er ihr Blumen schenken will, hilflos, sie fragt, ob das Stöcklein für Oma sei. Er spürt, dass es noch eine andere Welt geben muss – aber nicht in Ennepetal. Hier findet er keine adäquate Ansprache.

Henning Beckhoff hat diesen leisen, persönlichen Film nach dem Drehbuch von Paula Cvjetkovic inszeniert, der eine Jugend zeigt, die ganz atypisch zu derjenigen ist, wie sie deutsche Coming-of-Age-Filme meist zeigen und überzeugt mit prima ausgewählten und geführten Darstellern. Am ehesten noch passt er filmisch in die Nähe der Königin von Niendorf in welchem allerdings ein kleineres Mädchen die Hauptperson ist.

Warum lebt man an diesem Ort und nicht an einem anderen,
gehört man zu diesem Ort, bloß weil man hier geboren wurde?“

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