Dem Horizont so nah

Fazit: Großes, deutsches Schnulzenkino mit Benjamin-Blümchen-Erotik, leicht und beschwingt wie eine Betonplatte und mit freundlicher Unterstützung des Gesundheitsamtes.

Die Geschichte von Jessica Kochs Roman gleichen Namens, der diesem Film zugrunde liegt, mag anrührend sein. Die Autorin scheint darin eigene Erlebnisse eines Sommers zu verarbeiten. Sie ist vorgeblich 18, ihre Eltern betreiben da, wo es die Autonummer SLE (Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen) gibt, einen Catering Service. Papa schenkt dem Mädchen zum 18. Geburtstag, damit fängt der Film an, einen eigenen kleinen Catering-Transporter, denn Jessica arbeitet brav im elterlichen Betrieb mit. Die Sensationen dieses Sommers mit melodramatischem Content werden ausgelöst durch die Verliebtheit/Liebe zu Danny Taylor. Der ist Kick-Boxer, Model und bildhübsch, promiment, berühmt, reich. Sie erfährt, dass er HIV-positiv ist. Das wird ihr Konflikt. Umso mehr als sich bald herausstellen wird, dass er an einem besonderen Syndrom leidet, das ihm nur noch wenige Monate Lebenszeit beschert.

Das deutsche Subventionskino macht daraus das, was eingangs als Fazit erwähnt wird. Die größte Katastrophe ist die Drehbucharbeit von Ariane Schröder. Sie ist der elendigliche Beweise dafür, dass es in Deutschland keine Drehbuchkultur gibt (Jessica: „Ich bin glücklich.“ – Mutter: „Dann hol ich dir jetzt erst mal eine große Tasche aus dem Keller“. – Vater: „Ich bin stolz auf dich“ – oder: „Wir haben gerade unsere 18-jährige Tochter in ihrem Zimmer eingesperrt. Lange können wir die nicht da drinnen lassem“. – „Ich weiß“.).

Regie führt Tim Trachte. Der hat kürzlich bei Benjamin-Blümchen dieselbe Art Betonklotz-Regie geführt (deshalb ergibt sich ohne Umwege der Hinweis auf die Benjamin-Blümchen-Erotik).

Vom Casting her wäre gutzuhalten, dass die beiden Protagonisten Jennik Schümann und Luna Wedler die Anforderungen an ein Teenie-Idol möglicherweise erfüllen; dass aber zwischen den beiden grad so gar keine Erotik aufkommt; was wiederum auch an Drehbuch und Regie liegt; sie tun halt nur so als ob. Wobei mir die Besetzung von Schümann insofern problematisch erscheint, als er unglaubliche Gewalt von seinem Vater erduldet haben muss laut Buch; dazu ist er aber viel zu sehr gefälliger Locken-Grinse-Boy ohne Tiefe, ohne Geheimnis.

Wie schon in anderen neuen deutschen Filmen scheint hier einmal mehr die krampfhafte Suche nach einem jungen Kinotraumpaar nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Weil auch alles so arg biedermeierhaft daherkommt, das kommt hinzu.

Schnulze oder Kitsch kann der Film genannt werden, weil alle gravierenden Informationen nur erzählt werden, wie beispielsweise die grauenhafte Kindheit von Danny; die somit zum reinen Rühr- und Mitleidsformat verkommt.

Dann der erhobene Gesundheitszeigefinger: in eigens eingerichteten Szenen wird das Thema Verhütung und Schutz mittels Kondom vorgeführt, man fühlt sich in einem Gesundheitsaufklärungsfilm, was selbstredend jede Romantik killt.

Vollkommen überflüssig ist die viel zu lange Amerikasequenz am Schluss – ohne Charme und ohne jede Inspiration; hier scheint es nur darum gegangen zu sein, auf Kosten der Zwangsgebührenzahler, die den Film über diverse Filmförderungen mitfinanzieren, einen Amerikatrip zu machen, der weder bildnerisch noch erzählerisch überzeugt. Da hätte auf Greenscreen ein nicht minder missverständlicherer Abgang und Schluss erzeugt werden können. Also auch noch Verschleuderung von Zwangsgebührengeldern.

Hinzu kommt der Hochmut des Subventionstümpels in den Credits: Frederik Lau verlangt – oder seine Agentur – eine Sondererwähnung für seinen Auftritt als Kickbox-Trainer, der im Umfeld der mäßig überzeugenden Schauspielerleistungen auch nicht aus dem Rahmen fällt.

Verwunderlich ist auch, dass die Model-Karriere von Danny plötzlich der Kickbox-Karriere weicht. Ohne jede Begründung. Das Modeln verschwindet einfach aus dem Film. Was gutes, starkes Kino ist, das abhebt, werden die Teens, die möglicherweise hier ihre viel zu alten Doubles anschauen wollen, nicht lernen. Deutsches Muttchen, Jessica: sie verlangt von Danny, dass er ihr ordentlich ein Date vorschlage. Übelkeit verursachen kann der drüber oder drunter gelegt Kaufhaus-Glücksgefühl-Musikmix-Sound, der den Kunden, also den Zuschauer, dusselig machen, dessen Verstand einlullen soll.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

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