Helvetische Blockbusteritis.
Große Schweizer Kinoambition. Irgendwo habe ich gelesen, dies sei einer der teuersten Schweizer Filme überhaupt. Für Schweizer Verhältnisse ein Monumentalfilm, gewidmet einem der bekanntesten Schweizer Helden, dem Reformator Ulrich (Huldrych) Zwingli. Er war eine Schweizer Parallelfigur zum Deutschen Luther.
Das machen die Schweizer auch recht ordentlich: die Unterscheidung zwischen der katholischen Kirche und den Neuerungen, die Zwingli fordert oder auch durchsetzt anhand der Themen: Zölibat (woran die katholische Kirche heute noch kaut, dazu gibt es auch die einzige Pointe, die auf heute einen Bezug hat, indem einer sagt, das würde auch in 500 Jahren noch Bestand haben und tatsächlich beißt sich daran die katholische Kirche immer noch die Zähne aus), Gottesdienst in deutscher Sprache, Bibelübersetzung ins Deutsche, Bildung für alle, Rückgabe der Klöster an die Allgemeinheit und damit Finanzierung von Bildung, Gesundheit und Maßnahmen gegen die Armut, die Kirche von Bildern säubern (Bildersturm), kein Fleisch essen am Freitag. Der Gegensatz zwischen katholischem Prunk und zwinglianischer Nüchternheit.
Diese Themen kommen im Film von Stefan Haupt, der als Ko-Autor mit Simone Schmid auch das Drehbuch geschrieben hat, klar und gut rüber wie in einem illustrierten Volkshochschulkurs; damit können die vielfältigen Geldgeber besonders aus den evangelischen Landeskirchen der Schweiz bestimmt sehr gut leben.
Wobei einzuwenden wäre, dass der Eindruck entsteht, der Film wende sich an eine eher rückständige, ungebildete, bäuerische Klientel; er wolle eher die Zeitgenossen von Zwingli ansprechen als die heutigen; oder diese allenfalls im Sinne einer reformationsinformativen Lektion zum Füllen eventueller Bildungslücken.
Vom Kinematographischen her gibt es Einwände. Der Film wirkt von seinem Großanspruch her wie ein Anzug der nicht richtig sitzt, der hier ein bisschen lottert, dort etwas zu lang, da etwas zu kurz ist. Er ist nicht Fisch nicht Fleisch, nicht Maßanzug noch Konfektion, nicht eigenschwyzerisch (wie „Der Unschuldige“, der am 14. November hier ins Kino kommt), ist aber weit vom Kaliber eines Blockbusters entfernt. Dazu fehlt ihm der Überbau, fehlt ihm der Bogen.
Auch hier kann demnächst ein Vergleich gezogen werden, wie ein Paul Schrader ein Biopic gestaltet, wenn die restaurierte Fassung von „Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln“ Ende November wieder ins Kino kommt. Wie Schrader geschickt eine filmische Geschichte daraus macht, während wir es hier eher mit einem losen Kalenderblattbogen zu tun haben.
Es hätte schon viel geholfen, am Anfang des Filmes kurz den Rahmen zu skizzieren, innerhalb dessen Zwingli agiert. Aber nein, die Schweizer glauben, ihren Nationalhelden kennen alle und da bedürfe es keiner Einrahmung. Die fehlt auch en détail.
Der Film spielt praktisch in engen Einzelszenen, die alle in wenigen Züricher Gassen- oder Innenräumen stattfinden, es fehlt der Bogen, es fehlt die Weite, es fehlt der cineastische Atem. Alles, was außerhalb passiert wird fast ausschließlich per Brief oder per Boten ins Spiel gebracht, das wie eine Bühne wirkt, wobei der saloppe Chor zu aufgeregt und zu gleichmäßig geführt wird.
Auch vom Drehbuch her wirken manche Szenen zu ausgewalzt, als ginge es darum, ein Requisit, ein Kostüm, einen Innenraum – in welche bestimmt viel Energie gesteckt worden ist – zur Wirkung kommen zu lassen, auf Kosten der Geschichte und damit des Erfolgs des Filmes. Dabei wäre doch das Thema der Erneuerung ein andauernd akutes auch für heute, auch weit über die Schweiz hinaus. Davon ist hier nichts zu spüren.
Schauspielerisch ragt der Maximilian Simonischek als Ulrich Zwingli weit hervor; wobei unerklärlich bleibt, wieso der schmierige Leo (Anatole Taubmann) sein Freund sein soll, dem man zutraut, dass er ihn in jedem Moment verrät; das liegt aber auch am Drehbuch, das alle anderen Figuren nebensächlich lieblos abhakt – lediglich zu Illustrationszwecken der erwähnten Differenz zwischen alter Kirche und der zu erneuernden, weil man offenbar, wie die Filmkrankheit der Deutschen, einen Themenfilm machen wollte. Selbst für diese Intention wäre ein schlankeres Drehbuch wünschenswert gewesen.
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Helvetische Blockbusteritis. Große Schweizer Kinoambition. Irgendwo habe ich gelesen, dies sei einer der teuersten Schweizer Filme überhaupt. Für Schweizer Verhältnisse ein Monumentalfilm, gewidmet einem der bekanntesten Schweizer Helden, dem Reformator...