Nurejew, the White Crow

Ein leichter und ein schwerer Fuß.

Der leichte Fuß ist der des Tänzers während der Vorstellung, wenn er seine Sprünge und seine Pliés macht. Das gilt auch für Rudolf Nurejew. Diese Leichtigkeit will erarbeitet sein. Eine Dreiviertelstunde die Muskeln aufwärmen und dann ein paar Sprünge im Training oder hier im Film ein paar schöne Sprünge und Pirouetten getanzt von Oleg Ivenko in der Verkörperung des russischen Tanzstars Nurejew.

Diese Präparation gilt auch für den Film von Ralph Fiennes, der nach dem Drehbuch von David Hare, inspiriert vom Roman „Rudolf Nureyev: The Life“ von Julie Kavanagh, inszeniert hat. Ihn interessiert der schwere Fuß, der politische, resp. bei Nurejew, der unpolitisch-politische, der nur Tänzer sein will und deshalb und wegen seines seltenen Talentes gepaart mit einem widerborstigen Charakter in die Mühlen der Politik gerät.

Fiennes inszeniert auf den politischen Höhepunkt, den Skandalpunkt in der Karriere von Nurejew hin, den Absprung vom Kirow-Ballett anlässlich eines Gastspieles in Paris und das damit verbundene Asylersuchen in Frankreich.

Deshalb hat sich wohl David Hare für eine Dramaturgie des Krebsganges entschieden: ein Schritt vor und ein halber Schritt zurück mit einer Rückblende. Diese Rückblenden umfassen die Zeit von der Geburt in einem Eisenbahnzug bis ins Bubenalter mit den ersten Ballettstunden mit 8 Jahren (Maksimilian Grigoriyev tanzt leicht wie ein Federball) und der Zeit als Ballettstudent und Tänzer in Russland.

Die Rückblenden nutzt der Film, um die Charakterisierung des Zusatzes im Titel, „die weiße Krähe“, zu verdeutlichen, ein Mensch, der sich nicht gerne an Regeln hält, der sich nicht gerne anpasst und deshalb mit dem Funktionärstum trotz herausragenden Talentes dauernd in Konflikt gerät. Dieses will ihn bereits in die Provinz nach Ufa verschicken, was das sichere Ende seiner Laufbahn bedeutet hätte.

Die Rückblenden zeigen den Preis, den er dafür bezahlt, tanzen zu dürfen, mit seinem Leben in einer eigentümlichen Ménage à Trois mit seinem Förderer Alexander Puschkin (den spielt der Regisseur selbst) und dessen Frau Kesenjia (Chulpan Khammatova), zum Leidwesen seines Zimmergenossen und Geliebten, dem Deutschen Teja Krmeke (Louis Hofmann, der großartige Tanzeinlagen bietet).

In Paris folgt die Zurücksetzung, dass er nicht die Erstbesetzung ist, sein Hunger, Menschen und Kultur kennenzulernen und die misstrauische Bespitzelung durch die KGB-Männer. Er verhält sich nicht nach dem Verhaltenskodex, sucht Kontakt zu den Franzosen. Entscheidend wird die Begegnung mit Clara Saint (Adèle Exarchopoulos), deren Freund, der Sohn des berühmten Dichters und Kulturministers Malraux, wenige Tage vor der Begegnung gestorben ist.

Fiennes und sein Autor spitzen das Drama gekonnt und Schritt für Schritt zu bis kurz vom Abflug der Truppe nach London, wo sich auf dem Flughafen unerwartet eine Eskalation zusammenbraut, die hochdramatische Formen annimmt und kein Zuschauerauge trocken lassen dürfte.

Was das Besondere am Tanz von Nurejew war, dieses wilde Tier, und weshalb er den Zunamen der weißen Krähe bekommen hat, das machen erst die Originalaufnahmen im Abspann sichtbar.

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