Red Letter Day (Fantasy Filmfest)

Wähernd die Purge-Filme mit der Freigabe der straflosen Selbstjustiz für einen Tag pro Jahr ein gefühltes Gerechtigkeitsdefizit kompensieren, macht sich dieser Film von Cameron Mcgowan einen Spaß daraus, die Schnarchdecke steriler Schlafsiedlungen ein wenig zu lüften, zu testen, wie viel es braucht, die Tötbereitschaft dieser braven, biederen, unauffälligen Menschen zu aktivieren.

Rote, versiegelte, persönlich adressierte Briefe mit der Aufforderung einen bestimmten Siedlungsbewohner, der mit Name und Foto identifiziert wird, zu töten, reichen fast aus. Nicht ganz. Bürgerlich-alltägliche Vernunft kennzeichnet die Bewohner solcher Vororts-Reihenhaussiedlungen eben auch. Die erste, selbstverständliche Reaktion ist die, die Polizei zu rufen.

So handhabt es die Protagonistin Melanie (Dawn Van de Schoot), eine patente Frau mit den zwei Kindern Madison (Halley Foss) und Timothy (Kaeleb Zain Gartner). Sie handelt rational, ruft die Polizei an. Hier fängt die Irrationalität an: die Warteschleife, das Misstrauen der Polizei, ihre Nichtzuständigkeit, dass sie in einer Ewigkeit von Stunden jemanden vorbeischicken werde. Das lässt den Adrenalinpegel der Anruferin bereits auf einen Level jenseits vernunftgesteuerter Entscheidungen steigen.

Wenn es jetzt noch einen begründeten Hinweis oder Verdacht gibt, andere könnten diesen Humbug ernst nehmen und man sei also selber in Gefahr, dann dürften die letzten Sicherungen bürgerlicher Tötbremsen durchgebrannt sein. Dann bewaffnet sich eine patente Frau wie Melanie mit dem erstbesten Küchen- oder Haushaltsgerät; es geht ja um Selbstschutz und auf die Polizei ist kein Verlass. Sie ist nicht die einzige.

Somit ist der Weg frei für ungehobelte Laienkiller, die zum Amüsement des Publikums eine beachtliche Blutspur, einen scheußlich gespaltenen Unterkiefer und andere Hingucker auf der Leinwand hinterlassen. Das sind alleweil belebende Elemente in einem Schlafviertel namens Lakeview.

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