Polizeiruf 110: Der Ort, von dem die Wolken kommen (ARD, Sonntag, 15. September 2019, 20.15 Uhr)

Wie angenehm, ein Polizeiruf, bei dem man sich nicht primär mit der gestörten Kommissarsfigur eines von Meuffels von Gnaden überehrgeiziger Fernsehredakteure beschäftigen muss, wie angenehm, ein Polizeiruf, bei dem man sich auf den doch recht rätselhaften Fall konzentrieren kann, wie angenehm, ein Polizeiruf, der eine prima Mischung ist aus Alltagsrealismus (einige offenbar ordentlich recherchierte Polizei- und Therapieverfahren) und Hypnose- und auch Flunkerelementen, im Sinne eines aufregenden Geschichtenerzählens, das sich von der Dokumentation abhebt; wie angenehm, ein Polizeiruf mit einer modernen Besetzung von Leuten, die zwar nicht unbedingt zum Polizisten geboren sind, wohl aber das Bild offenbar gängiger Typen unserer modernen Gesellschaft abgeben. Dabei haben Regisseur Florian Schwarz und seine Drehbuchautoren Thomas Korte und Michael Proehl auch den Humor nicht vergesssen (Redaktion: Cornelia Ackers).

Der Fall dreht sich um den Jugendlichen Polou (Dennis Dorns). Er wird auf den Isarwiesen in München aufgefunden. Er ist voll vernarbt. Die Gegenstände, die er bei sich hat, die lassen kriminalistische Geister erblühen. Er spricht nicht.

Die Kommissarin vom Höheren Dienst Bessie (Verena Altenberger), die auch mal „Streifenhörnchen“ spielt, wie sie ironisch Frau Fabian vom Jugendamt (Anja Schiffel) zu verstehen gibt, entwickelt viel Helfersyndrom, um Polou zum Sprechen zu bringen.

Der Film gibt nun Einblick in verschiedene psychologische Verfahren, bis hin zum Einsatz der Hypnose durch die Fachfrau Dr. Kutay (Katja Bürkle), um solche Patienten zum Sprechen oder Zeichnen zu bringen. Hier geht es sogar so weit, dass die Kommissarin sich gemeinsam in die Hypnose („Doppelhypnose“) begibt, um den Fall einer Lösung näher zu bringen.

An dieser Kommissarin ist noch bemerkenswert, dass Kollege Cem (Cem Lukas Yeginer), ziemlich rundlich, vielleicht in Genderdingen nicht ganz eindeutig festgelegt, ihr Halbbruder sei.

Die Lösung des Falles ist etwas aus dem Hut gezaubert. Und warum ein Waffenhändler in der Schweiz auch noch Kinder gefangen halten muss, das erschließt sich nicht aus sich heraus.

Die leichte Erzählhand der Macher zeigt sich bei dem Problem, wie die Sozialfürsorgerin eine weitere Hypnose-Sitzung verbieten will. Streifenhörnchen fragt ihren Kollegen, ob man gegen die Fürsorgerin nicht was finde … und siehe da….(ein Liebhaber, was wunderbar gegen das Sozialarbeiterinenklischee ist) das wird augenzwinkernd erzählt innerhalb vom Film mit einem kurzen verblüffenden Bildstopp …
oder die Sache mit dem verschwundenen Osterei in der Schlussszene, findet eine überraschend banale Lösung, nachdem es kurz größte Hoffnungen auf einen ultimativen Twist geweckt hat …

Red Letter Day (Fantasy Filmfest)

Wähernd die Purge-Filme mit der Freigabe der straflosen Selbstjustiz für einen Tag pro Jahr ein gefühltes Gerechtigkeitsdefizit kompensieren, macht sich dieser Film von Cameron Mcgowan einen Spaß daraus, die Schnarchdecke steriler Schlafsiedlungen ein wenig zu lüften, zu testen, wie viel es braucht, die Tötbereitschaft dieser braven, biederen, unauffälligen Menschen zu aktivieren.

Rote, versiegelte, persönlich adressierte Briefe mit der Aufforderung einen bestimmten Siedlungsbewohner, der mit Name und Foto identifiziert wird, zu töten, reichen fast aus. Nicht ganz. Bürgerlich-alltägliche Vernunft kennzeichnet die Bewohner solcher Vororts-Reihenhaussiedlungen eben auch. Die erste, selbstverständliche Reaktion ist die, die Polizei zu rufen.

So handhabt es die Protagonistin Melanie (Dawn Van de Schoot), eine patente Frau mit den zwei Kindern Madison (Halley Foss) und Timothy (Kaeleb Zain Gartner). Sie handelt rational, ruft die Polizei an. Hier fängt die Irrationalität an: die Warteschleife, das Misstrauen der Polizei, ihre Nichtzuständigkeit, dass sie in einer Ewigkeit von Stunden jemanden vorbeischicken werde. Das lässt den Adrenalinpegel der Anruferin bereits auf einen Level jenseits vernunftgesteuerter Entscheidungen steigen.

Wenn es jetzt noch einen begründeten Hinweis oder Verdacht gibt, andere könnten diesen Humbug ernst nehmen und man sei also selber in Gefahr, dann dürften die letzten Sicherungen bürgerlicher Tötbremsen durchgebrannt sein. Dann bewaffnet sich eine patente Frau wie Melanie mit dem erstbesten Küchen- oder Haushaltsgerät; es geht ja um Selbstschutz und auf die Polizei ist kein Verlass. Sie ist nicht die einzige.

Somit ist der Weg frei für ungehobelte Laienkiller, die zum Amüsement des Publikums eine beachtliche Blutspur, einen scheußlich gespaltenen Unterkiefer und andere Hingucker auf der Leinwand hinterlassen. Das sind alleweil belebende Elemente in einem Schlafviertel namens Lakeview.

Wer 4 Sind

Mit den Fans kann man das ja machen,

wird sich der Macher dieses Filmes, Thomas Schwendemann, gedacht haben. Denen reicht es, ihre Stars groß auf die Leinwand und ganz nah zu bekommen, sie ein Statement nach dem anderen abgeben hören, auch wenn sie wenig mehr preis geben, als dass sie Stars sind, dass sie das seit 30 Jahren sind, Die fantastischen Vier, um die es hier geht, die Erfolgsverwöhnten. Den Fans ist das egal. Hauptsache sie sind bei ihren Idolen, wie sie in einem roten Oldtimer durch Stuttgart, den Geburtsort der Band, gondeln oder Backstage, bei Proben und Besprechungen, beim Schnaps zum Start an der Arbeit zu einem neuen Album und selbstverständlich immer wieder auf der Bühne bei Auftritten, im Privatjet oder in Archivaufnahmen.

Aus dem Montageverhau ist herasuzuklamüsern, dass die Band schnell Furore macht, eine Sinnkrise kriegt, sich derrappelt und wie die Kreativität nach Jahrzehnten anfängt, flöten zu gehen, sich nicht zu schön ist, Unterstützung von außen zu holen aus der jungen kreativen Texter- und Rapperszene.

Das verbindet sie mit anderen Rentner-Bands, die auch im hohen Alter noch auf der Bühne rumhopsen und ein jugendliches Publikum in Massen anziehen und zu begeistern wissen wie Spider Murphy Gang – Gloria Days of Rock’n Roll, wobei die Dokumentation über diese deutlich interessanter ist, zumindest für den Nichtfan und Kinomenschen.