Kommentar zu den Reviews vom 15. August 2019

Ein Höhepunkt nicht nur für Kinder: sie werden gut unterhalten mit der ausgeklügelten Fortsetzung eines Pixar-Erfolges übers Spielzeug schlechthin. Schlechter sieht es für die rein Erwachsenen aus: sie werden mit einem desillusionierenden Hollywood-60er-Jahre-Kopierwerk konfrontiert und sie müssen schauen, wie sie mit deutscher, überintellektualisierter Subventionskost zurechtkommen. Auf DVD erschien ein Bijoux an Biopic über die Gründer eines sagenhaften Musiklabels. Im Fernsehen ist mit der Behandlung des Spiele-Sucht-Themas etwas fürchterlich schief gelaufen.

Kino
TOY STORY – ALLES HÖRT AUF KEIN KOMMANDO
Die Kreativen von Pixar bleiben erfinderisch und nah am Menschen.

ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD
Täuschend echte Kopie ohne Aussage.

ICH WAR ZUHAUSE, ABER
Von der gleichwertigen Banalität von Hamlets Tod, der chemischen Reinigung und dem Verhältnis zum Tennislehrer.

DVD
IT MUST SCHWING! – THE BLUE NOTE
Kaum zu glauben, dass zwei Deutsche dieses amerikanische Kultlabel gegründet haben.

TV
PLAY
Please, do not play it again!

Toy Story: Alles hört auf kein Kommando

Nah am Menschen.

Und nah an der Familie. Nah am klitzekleinen Alltag der meisten Menschen. Im innersten Kern der Familie angesiedelt, im Spielzimmer der Kinder. Hier leben die Spielzeuge. Die entwickeln in Abwesenheit der Kinder und der Erwachsenen mächtig Eigenleben.

Die Animationsfiguren erleben die Beseelung (was sie ja in den Köpfen der Kinder eh tun). Und wie die Kinder ihren Puppen und Figürchen Namen geben und einen persönlichen Bezug herstellen, so soll das der Zuschauer auch mit den Pixar-Figuren tun. Deshalb sind sie sorgfältig entwickelt und charakterisiert und decken in ihrer Gesamtheit ein breites Spektrum menschlicher Charaktere ab.

Entsprechend sorgfältig werden auch die Sprecher für die Rollen ausgesucht. Ja, es kann sogar passieren, dass ein Schauspieler noch Ideen für seine Figur mitbringt, wie Keanu Reeves, der seinen Duke Caboom als Poser sieht, weshalb das im Film ausgiebig ausgespielt wird, diese Posen. Das hat Jonas Rivera, der Produzent aus Hollywood, bei einer Vorabpräsentation im März in München erzählt.

Wie die bei den Pixar-Studios überhaupt einen kreativen Boden schaffen, um Ideen wachsen und reifen zu lassen. Deshalb kann es auch dauern, bis auf Toy Story 3 Toy Story 4 endlich folgt. Das ist keine Massen-schnell-schnell-Produktion. Das dürfte eines, wenn nicht das Geheimnis des Dauererfolges von Pixar-Studios sein.

Toy Story 4 fängt melodramatisch an. Ein Unwetter, das sensationell animiert ist (man wundert sich direkt, dass es nicht von der Leinwand tropft!), erfordert eine extreme Rettungssituation.

Das Mädchen des Hauses mit den Spielzeugen muss in den Kindergarten. Damit fängt ein neues Kapitel der Geschichte an. Denn sie bringt ein ganz, ganz neues Spielzeug nach Hause: Forky – und damit auch das Thema „Abfall“ und einhergehend damit, das Thema, dass Spielzeuge auch verloren gehen.

Forky setzt eine ganz Kette weiterer Verwicklungen und Abenteuer in Gang und führt neue, ergiebige Locations, immer auch mit neuen Figuren verbunden, ein: ein Antiquitätengeschäft, namens „Zweite Chance“ (damit die Möglichkeit, Spielzeug aus anderen Jahrzehnten einzuführen) und einen Rummelplatz, wobei die Schießbude Ausgangspunkt für weitere Verwicklungen, Befreiungen, Kollisionen und jede Menge unterhaltsamer Gags ist.

Once Upon a Time in Hollywood

Das Ende Hollywoods

oder der Alptraum Hollywood, gefangen im eigenen Saft und in Endlosschleifen von nichssagenden, perfekt nachgestellten Bildern aus dem Hollywood von 69, dazu das Problem des Alterns einst kräftig saftig gutaussehender Stars.

Die Verzweiflung darüber schlägt sich in diesem neuen Werk von Quentin Tarantino nieder und es kostet Energie, herauszufinden, ob er uns darüber hinaus etwas erzählen will, immer den Western und den Spaghetti-Western vor Augen, von dessen Glanz so gar nichts geblieben ist.

Dagegen lesen sich die Bücher von Rainer Boller (Wilder Westen made in Germany oder In einer Bar in Mexiko deutlich spannender und instruktiver. Boller hat eine Haltung dazu.

Hier bei Tarantino schlagen sich zwei abgetakelte Helden durch gegen drei Stunden Film, Leonardo DiCaprio als Hollywood-Star Rick Dalton und Brad Pitt als sein Stunt-Double, zudem als sein Fahrer Cliff, denn Dalton hat ein Alkohol- und auch ein Textlernproblem.

Während Cliff sich am Hollywood-Boulevard von einer noch nicht unbedingt Volljährigen anmachen lässt, kämpft Dalton am Set mit simpelsten Western-Texten. Ach, es ist alles so deprimierend.

Ungefähr zur Halbzeit schafft es sein Agent Marvin Schwarzs (Al Pacino), Dalton in einem Spaghetti-Western in Italien unterzubringen. Der mehrmonatige Trip endet mit einer Heirat und Rückkehr in die Staaten. Mehr soll nicht gespoilert werden.

Wobei der Ablauf der Geschichte und die eingestreuten Anekdoten und Klatsch von Dreharbeiten oder auch das Schauen der eigenen TV-Produktionen mit den entsprechend kindischen Kommentaren nicht das Interessanteste sein dürften, viel eher diese depressive Stimmung, die einen richtig niederziehen kann, die desillusionierend, gar niederschmetternd wirkt im Hinblick auf der Welt berühmteste Traumfabrik und dass ein berühmter Regisseur wie Tarantino einen so aufwendigen, laut IMBd geschätzte 95 Millionen teuren Film macht und es kommt so gar nichts rüber, was den Geist in Begeisterung und in Bewegung versetzen könnte außer vielleicht dem Spiel, aus welcher Ablage und Schublade er die Sujets gezogen hat.

Ein Kino, das der Vergangenheit nachhängt und sich in ihr verfängt. Vielleicht ist der Film die Zustandsbeschreibung des gemarterten Hirns von Tarantino, in welchem wie in einem zwanghaften Traum sich die ewig gleichen Bilder wiederholen und aus welchen es kein Entkommen gibt.

Wer mit den Filmen und Begebenheiten, auf die Tarantino hier kopierend referiert, cinésozialisiert worden ist, der ist immerhin beschäftigt mit dem Einsortieren der Querverweise, kommt wenigstens so zu etwas geistiger Gymnastik.

Ich war zuhause, aber

Von der Banalität der Gleichwertigkeit von Schrottrad, chem. Reinigung und Hamlettod

oder von der Schwängerung der Banalität mit Bedeutung.

Wenn der Kauf eines Schrottfahrrades mit demselben Sprechduktus und derselben Konzentration getätigt wird wie einige Minuten früher oder später die hochdramatische Hamlettodesszene, so befinden wir uns im elitär sich gerierenden Biotop von Angela Schanelec, in einem Biotop der Indifferenz.

Selbst solche Szenen sind mehr eine Staffage für das mögliche Hauptthema, der Probleme einer alleinerziehenden Mutter mit dem Pubertieren ihres Sohnes, mit dessen Verpuppung zum Manne; das Töchterchen ist kleiner, darf gerade mal in der Badeanstalt ein Bikinoberteil überstülpen.

Habitus und Duktus der Szenenpräsentation erfolgt im Gestus des Professoralen. Den Befund bestätigt die kleine Rahmenhandlung mit Esel, Hund und gejagtem und gefressenem Kaninchen. Es ist ja kein Tierfilm. Es ist eine intellektualistische Themencollage, ein intellektualistischer Patchworkteppich mit einem weiteren zentralen Plot in Form eines irre langen Monologes der Protagonistin (Maren Eggert) an einen fahrradschiebenden Gastprofessor. Der handelt von Kunst, speziell vom Theater, von gefakter Realität, der Bandagiertheit durch diese, dem Leben und verwandten Philosophemen.

Ein weiterer Plot wird von einem jungen Paar diskutiert: Liebe, Einsamkeit, Alleinsein, Bindungsunfähigkeit.

Wie Streusel über den Kuchen verteilt Angela Schanelce auf ihrem Bastelwandbehang Lyrik, Songs, Pinakothekenbilder, Schultheaterübungsszenen, man ist ja in der Hochkultur.

Angenehm an ihrem Werk ist, dass sie nichts erklärt. Unangenehm ist, dass sie Werte und Banalität, Shakespear-Drama und Schrottfahrradkauf oder Auftrag für die chemische Reinigung mit gleichwertiger Bedeutung schwängert.

Gibt es da was zum Mitschreiben? Erkenntnisse zum Banalitätsdestillat? Redet man so mit einem Heizkörper? Und Achtung, wir lieben Spiegelungen (tatsächlich einmal reizvoll, wenn eine S-Bahn sich gleich in zwei Fenstern unterschiedlich spiegelt). Banalität der Liebe: Protagonistin fängt mit dem Tennislehrer der Tochter ein Verhältnis an.