Dunkel, fast Nacht – Ciemino, Prawie Noc

Hinabtauchen in tiefste Tiefen menschlicher Urängste und Verunsicherung, dorthin, wo es am Schmerzhaftesten ist: Verlust des Kindes, Zerstörung des Kindes, Missbrauch des Kindes.

Kinder sind die größte Hoffnung der Menschen auf Zukunft und Fortbestand. Weshalb Missbrauch von Kindern zu den schlagzeilenträchtigsten Verbrechen gehören, gerade in München, der Mann mit der Wolfsmaske, der am hellichten Tag ein efljähriges Mädchen missbraucht hat, die Titel, die die Boulevardpresse verteilt, sind nicht schmeichelhaft.

Borys Lankosz, der mit Magdalena Lankosz auch das Drehbuch geschrieben hat nach dem Roman von Joanna Bator, schickt die Journalistin Alicja (Magdalena Cielecka) von Warschau in die polnische Provinz, wo immer mehr Kinder unter ungeklärten Umständen verschwinden.

Alicja ist aus der Gegend. Das erleichtert den Einstieg in die Recherche. Sie hat noch einen Schlüssel ihres leerstehenden Elternhauses. Darin kommen Erinnerungen hoch, vergrabene, ungeklärte.

In der Nacht überwältigt Alicja im Garten einen Mann, der angeblich Jagd auf die ‚Katzenfresser‘, die Zigeuner, macht, denen die Schuld am Verschwinden der Kinder zugeschrieben wird.

Lankosz beschreibt die Gegend, die Erinnerungen meisterlich mit den Mitteln des Horrormovies, Schlaglichter, viel Dunkel, dazu eine exquisite Musik, die auf die Abgründe hinweist, eine weiche Erzählerstimme und Settings mit wenig Perspektive, keine renovierten Häuser, Zerfall.

Zur Bebilderung des Kinderhorrors kommen gekonnt die einschlägigen Motive wie Teddy, Barbiepuppe, schwarze Puppe, Perlen, Kreisel, Prinzessinnenpuppe, Äffchenpuppe, erhängte Katze, Kapuzenmann, eine Herzogin Daisy vor, krasser wird es mit einem Aschenbecher in Form eine nackten Barbiepuppe, in welcher Zigaretten ausgedrückt werden. Aber auch die Katzenfrauen spielen eine Rolle; eine macht ein Geräusch wie eine Klapperschlange.

Einzig die Journalistin ist heutig, sie joggt in modernen und auch im Film heller und frischer wirkenden Jogginganzügen. Sie wird durch ihre Recherche mit der eigenen Familiengeschichte konfrontiert, die komplex und düster genug ist, sie befragt die Mutter eines verlorenen Kindes, den Leiter eines Heimes. Dort ist die Bemerkung zu hören, dass immer die falschen Menschen die Kinder bekommen, der soziale Abschaum, und dass die Eliten zu wenig Kinder in die Welt setzen. Sie kann nicht widersprechen, ist sie doch selber kinderlos.

Die Recherchen bringen Hintergründe für die Verbrechen ans Licht sowie zeitgeschichtliche Ausformungen von Brutalität wie Naziherrschaft (ein Junge, der Mengele spielt – vorerst nur bei Tieren) oder Einmarsch der Roten Armee in Polen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert