Erde

Nikolaus Geyerhalter hat eine souveräne, elegante Art der Dokumentation entwickelt, diesmal Grubenhopping auf hohem Niveau. Er nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise durch die halbe Welt zu einigen der größten Narben, die der Mensch der Erdoberfläche zufügt, seien es Erdbewegungen in einem hügeligen Gebiet Kaliforniens (ein Arbeiter: „ich versetze Berge“), die für eine Ortsansiedlung benötigt wird, der Brenner-Basis-Tunnel in Österreich (Berührung mit jahrmillionenaltem Gestein beeindruckt), Kohletagbau in Ungarn (versteinerte Sumpfzedern im Kohleflöz können den Baggern die Zähne ausreißen), er interviewt einen Arbeiter in Carrara in Italien (die Arbeit mit dem Marmor versetzt diesem einen Adrenalinkick), in Spanien berichtet er vom Kupferabbau in den Minos de Riotinto (Kupfer ist essentieller Bestandtteil unseres Lebens, schon seit den Römern) und schaut in Wolfenbüttel vorbei (Atomendlagerung im Schacht Asse ist nicht ohne Risiko).

Bis hierher hat Geyerhalter sich direkt in die Betriebe begeben, hat reflektierte Interviewpartner gefunden, die sich des brutalen Vorgehens des Menschen gegenüber der Natur bewusst sind, die Ehrfurcht vor der Natur haben, die aber auch nicht zurück in die Steinzeit wollen. Er stellt seine Antwort- und Auskunftgeber mitten in ihre Arbeitsumgebung, direkt vor die Kamera, mit kurzem Schwarzbild zeigt er Schnitte im Interview an.

Zuletzt begibt Geyerhalter sich nach Fort McKay in Kanada. Hier begleitet er Ureinwohner und betrachtet mit ihnen Schäden und Hinterlassenschaften, die das Fracking von Ölsand hinterlassen hat.

Der Film hat Magazin-Hochglanzqualitäten. Er kapriziert sich nicht auf billiges Konzernbashing, diese bösen Kapitalisten und wir Verbraucher haben nichts damit zu tun. Durch die Reflektiertheit der Protagonisten wird immer die Zweischneidigkeit der Ausbeutung der Erde durch den Menschen sichtbar: dass die moderne Zivilisation ohne diesen Raubbau kaum denkbar wäre, und die Arbeiter wollen ihr Geld verdienen; wobei nicht gesagt ist, dass die Konzerne die Minen oder Grabungsstellen so verheerend hinterlassen müssen wie in Kanada, wo den Dené abgeraten wird, Fisch aus ihren Flüssen zu essen.

Geyerhalter lässt sich an den einzelnen Drehorten genügend Zeit für sinnliche, kinomächtige Impressionen von Maschinen und Erdbewegungen.

Im Vorlauf zu den Bildern bringt Geyerhalter die Info, dass täglich über 60 Millionen Tonnen Oberflächenmaterial durch Flüße, Winde und andere natürliche Kräfte bewegt werden, durch den Menschen dagegen 156 Millionen Tonnen Erde täglich. Wobei ich mich immer frage, wie solche Zahlen zustande kommen. Im Abspann wird auf „The Human Dimensios of Geomorphological Work in Britain“ hingewiesen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert